Ideen und Eigenentwicklungen von Handwerksbetrieben und Selbständigen

Der Mangel der Nachkriegszeit war nicht nur ein Problem für die Industrie und für bereits bestehende Firmen. Er traf nicht nur Millionen von Haushalten, die mit dem Notwendigtsten ausgestattet werden mussten, er traf in hohem Maße auch Personen, die eine Firma gründen wollten.
Man muss sich nur vorstellen, dass die viele Großbetriebe und Handwerksbetriebe wegen ihrer Arbeit für die Rüstungsindustrie geschlossen waren, aber generell auch mangels Material und Energieträgern gar nicht oder nur in geringem Maße Arbeitskräfte benötigt wurden.

Arbeitsplätze waren daher knapp, die Arbeitslosigkeit entsprechend hoch.

Zugleich kamen Millionen Flüchtlinge nahezu besitzlos nach Deutschland und benötigten alles, was man zum Leben und täglichem Überleben brauchte. Und natürlich wollten sie dafür arbeiten. Aber sie fanden noch schlechter Arbeit als die arbeitslosten Einheimischen.
Viele der Flüchtlinge waren allerdings hoch qualifiziert. Man denke nur an die Musikinstrumentebauer aus dem Sudetenland, die sich teils in Mittenwald, in Bubenreuth aber auch im hessischen Raum niederließen und dort neue Fertigungstechniken einführten.

Viele der Arbeitslosen waren daher gezwungen, sich selbständig zu machen, da eine lohnabhängige Arbeit nicht zu finden war.
Einerseits war das einfacher als heute, den die Militärregierungen der Besatzungsmächte hatten die Anforderungen für Firmengründungen erheblich erleichtert, um so der Bevölkerung die Möglichkeit der Selbstversorgung zu schaffen.
So konnte Max Grundig 1945 ohne Meisterbrief als Wehrmachtsfunker eine Radioproduktionsfirma gründen, die dann in den 1960er Jahren einer der inovativesten und größten Produktionsfirmen für Radios, Fernsehgeräte und Tonbandgeräte Europas war. In seiner Blütezeit hatte die Fa. Max Grundig rund 28.000 Mitarbeiter. Nach dem Ende der Militärregierungszeit 1950 wäre eine Firmengründung für Max Grundig sicher nicht mehr möglich gewesen. Viele Firmen, darunter sehr erfolgreiche und bekannte Marken wurden damals unter gleichen Vorraussetzungen gegründet.

Natürlich hatten diese Firmengründer prinzipiell die gleichen Probleme wie bereits bestehende Firmen, aber sie hatten einen entscheidenden Vorteil. Mit nichts anzufangen bedeutet auch in jeder Hinsicht flexibel Vorhandenes auswählen zu können, schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können und keinerlei Kostenverpflichtungen und Altlasten mitschleppen zu müssen. Oft wurde schlicht zuerst der Schwarzmarkt bedient, der ja nicht besonders wählerisch war. Dann, wenn der Absatz zeigte, dass eineverlässliche Nachfrage bestand, begann man den Schritt zum offiziellen Gewerbe. Maschinen und Werkzeuge wurden zusammengeschrottelt, aus Wehrmachtsbeständen aufgekauft oder selbst gebaut.

Auf dieser Seite stellen wir Firmen vor, die mit einer improvisierten Grundausstattung den Betrieb aufnahmen. Solche Berichte finden sich häufig in Illustrierten der Zeit 1946 bis 1948. Nicht zuletzt, um anderen Bürgern Mut zu machen, auch den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.
Solche zeitgenössische Berichte sagen mehr aus, als heute zusammengefasste Übersichten der Zeit.

Firmengründungen mit improvisiertem Inventar und Gerät

1. Zahnarztpraxis 1946 vorgestellt in der Illustrierte 'Heute', Ausgabe 15. Mai 1948

© horst decker