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Brief Wohnungsverfügung Kreuters wegen Bombenschadens

Geschrieben am 19. Februar 1945 aus Bernsfeld bei Gießen nach Dorf-Güll, wohin die Familie Kreuter wegen Bombentreffer ihres Gießener Hauses umgezogen ist. Herr Kreuter möchte die in seinem Gießener Haus befindliche Mietwohnung räumen, um die Schäden beheben zu können, ehe sich diese verschlimmern. Die Mieterin der Wohnung, die zum Zeitpunkt in einer Notunterkunft in Bernsfeld lebt, möchte die Wohnung nicht aufgeben, da ihr Ehemann sie dort suchen wird, sofern er aus dem Krieg heimkehrt.

(Nachlass 'Josef Kreuter, Farben- und Stempelfabrikant, Frankfurter Str. 131, Gießen')


            Bernsfeld, den 19.II.1945

Sehr geehrter Herr Kreuter, liebe Frau Kreuter,

            im 1. Moment bekam ich beim Lesen
Ihres Briefes einen Schrecken, daß ich vielleicht doch die so
viel bekämpfte Wohnung opfern soll. Ich kann natürlich
verstehen, daß Sie Wert darauf legen, bald möglichst das Haus
so hergerichtet zu wissen, daß nicht noch weiterer Schaden
entsteht.
Tag und Stunde sehne ich herbei, daß wir heim könnten, in
d. so geliebte Wilhelmstr. Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kreu-
ter, wenn Sie mir wenigstens 2 Zimmer zurück halten würden.
Am liebsten dann das Balkon- und Erkerzimmer. Es waren
die beiden sonnigsten! Und in der Wilhelmstr. möchte ich doch
gern meinen Mann empfangen, sofern er uns wieder
gegeben wird. Noch habe ich Gießen nicht gesehen! Mir grauts
auch davor. Doch in der kommenden Woche bin ich bei Herrn
Prof. Haas angemeldet. Ehrlich gestanden, ich habe Angst vor
dem 1. Anblick. Heute hörte ich, daß die Flieger gestern wieder
über Gießen waren. Aber so wird es weiter laufen, sobald auf-
bebaut ist, werden Bomber das Nötige wieder suchen und treffen.
Fast kann ich es mir nicht denken, daß ich noch mal nor-
male Zustände erleben soll. Diese Einöde, diese wenig gebildeten
Menschen, zum wahnsinnig werden einfach! Im Stillen bewundere
ich mich, daß ich es so lange ertrage.
Für Sie war es sicherlich auch nicht leicht, Herr Kreuter?

Falls die Wohnung gerichtet ist, ziehen Sie dann auch sofort
ein? Wird Frau Neb das Gleiche machen? Ich möchte es an sich
auch wagen, doch werde ich Schwierigkeiten mit Hans Dieter
haben! Sie lassen dann bitte noch mal von sich hören, sobald
die Sache in Ordnung geht!
Im Übrigen möchte ich Sie nochmals bitten, das Mietverhält-
nis aufrecht zu erhalten. Ich bin mit dem Vorschlag einver-
standen, wenigstens 2 Zimmer mir zu erhalten.

Ich grüße Sie und alle herzlichst, auch Renate u. Frau von d.
Leck
Immer
Ihre
H. Kümmel

© Horst Decker