Die Verwendung und das Recyclen von Zünderdosen

Zum Verständnis dieses Textes muss man wissen, dass Bomben und Granaten nicht in scharfem, also direkt verwendungsbereitem Zustand transportiert werden, sondern Sprengkörper und Zünder getrennt verpackt sind. Alles andere wäre viel zu gefährlich. Erst unmittelbar vor dem tatsächlichen Einsatz werden Sprengkörper durch Aufschrauben und ev. Einstellen des Zünders einsatzbereit gemacht.

In diesem Text geht es um die Verwendung der Bakelitdosen, in denen jeweils ein Zünder zum sicheren Transport verpackt war. Hier gibt es im Wesentlichen zwei Zünderdosentypen.

Zünderdose 1 2. Weltkrieg     Granatzünder ZZS/30 2. Weltkrieg     Granatzünder AZ1 2. Weltkrieg
Diese konische Transportdose aus mittel- bis dunkelbraunem Bakelit wurde für Zünder der 7.5cm und 8.8cm Granaten der Artillerie oder Flak eingesetzt.

Zünderdose 2L 2. Weltkrieg
Diese abgestufte Transportdose gehört zur Sprengbüchse 39, die in schweren Mörsergranaten in Verbindung mit dem Haubengranatzünder 35k oder in Bomben eingesetzt war.

Interessant sind diese Zünderdosen, da man sie in den drei unterschiedlichen Konversionsstufen findet.

Beispiele

a) Konversionsstufe a

Die erste Konversionsstufe bedeutet ja schlicht, ein militärisches Objekt zum vergleichbaren Zweck zivil zu nutzen. Das trifft für die Zünderdosen zu, die ja überall, wo Flak oder Artillerie im Einsatz waren, in großen Stückzahlen herumlagen. Auch lagen offenbar noch viele ungebrauchte Zünderdosen in den Lagern der Fertigungsbetriebe.

Die Umstände der Nachkriegszeit bedeuteten, in den oft primitiven Unterkünften, in denen es überhaupt nicht möglich war, Ungeziefer fernzuhalten, Dinge sicher, das heißt vor Ungeziefer wie Motten, Mäusen, Käfern etc zu schützen. Auch gab es Dinge, die vor Feuchtigkeit geschützt werden mussten, um ev. Schimmel zu verhindern.

Nun besitzen diese Dosen mit etwa 11cm Höhe und einem Durchmesser von 45mm nicht gerade viel Volumen. Das relativiert sich jedoch schnell, wenn man die Lebensmittelportionen sieht, die der Staat den Bürgern seinerzeit entsprechend der Lebensmittelkarten zur Verfügung stellte. Zudem konnte man ja vorhandene Mengen auf mehrere Dosen verteilen, was immer noch besser war, als dass diese von Ungeziefer befallen und ungenießbar oder wenigstens bakteriell verseucht wurden.

Zur Lagerung größere Mengen wurden übrigens auch Gasmaskendosen genutzt, die ebenfalls überall herumlagen.

Zünderdosen waren auch zum Vestecken von Schmuck, Wertsachen und Geld beliebt, denn dort, wo Not ist, sind auch Einbruch und Diebstahl nicht weit. Vor allen dann, wenn die Bewohner der oft nur schlecht sicherbaren 'Wohnungs-Verschläge' immer unterwegs waren, um selbst etwas für das eigene Überleben zu organisieren.

Die erste Nutzung war also schlicht die Übernahme des Wehrmachtsmaterials ohne jede Änderung. Daher zeigen die Objekte keinerlei Identifikationsmöglichkeit der Konversion. Selbst, wenn man eine solche Dose in einem Haushalt gefunden hat, könnte das auch bedeuten, dass es sich um eine Zünderdose handelt, die unter Umständen Jahre nach der Notzeit der Nachkriegsjahre ihren Weg als 'Kriegserinnerung' in den Haushalt gefunden hat.

b) Konversionsstufe b

In dieser Stufe werden geringe Änderungen vorgenommen, aus denen überhaupt ekennbar wird, dass eine Konversion, also ein systematischer ziviler Gebrauch vorgenommen wurde.
Bei den Zünderdosen bedeutet das schlicht, dass es sich um Stücke handelt, die aus Fabrikbeständen stammten und bei denen auf dem Boden die Herstellerkennzeichnungen ausgefräst oder ausgekratzt wurden. Nach wie vor dienten diese Dosen aber der Lagerung.

Zünderdose 1,  2. Weltkrieg mit ausgefrästen Militärangaben
Bei dieser Zünderdose liegt der industrielle Verkauf nahe, denn die militärische Typenbezeichnung 'Zünderbüchse' wurde sauber ausgedreht. Weitere Änderungen wurden nicht vorgenommen..

c) Konversionsstufe c

In der Konversionstufe c wurden mechanische und konstruktive Änderungen vorgenommen, ohne die Ursprungsform des militärischen Objekts unkenntlich zu machen. Zweck war eine andersartige Nutzung.

Zünderdose 1 - 2. Weltkrieg als Pfefferstreuer

Zünderdose 2L - 2. Weltkrieg als Pfefferstreuer
bei der unteren Zünderdose 2L ist die Ausfräsung des Herstellerzeichens oben und unten erkennbar. Auch innen wurde der Herstellercode ausgefräst.


Bei dieser Zünderdose Typ 1 wurde der Deckel (breite Seite) mit 10 kleinen Bohrungen versehen. Die Modellbezeichnung am Boden wurde belassen. Das lässt vermuten, dass diese Fertigung zwar gewerblich aber nicht fabrikmäßig erfolgte. Darauf weist auch der Umstand hin, dass sich in der Dose (Boden innen) das Fertigungsjahr 1938 befindet. Bei Kriegsende fabrikmäßig lagernde Dosen hatten logischerweise als Herstellungsangabe 1945 ev. noch 1944, da bei kleineren Firmen oft schon vor 1945 mangels Transportkapazität und wegen der ständigen Bombardierungen kein Warenabgang mehr erfolgte.

Die Zünderdosen 1 und 2L findet man häufig mit kleinen bzw. etwas größeren Löchern. Es hat sich unter Sammlern eingebürgert, diese als Salz- bzw. Pfefferstreuer zu bezeichnen. Zumindest gegen den zweiten Gebrauch dürfte die Tatsache sprechen, dass Pfeffer als Importware wohl kaum in solchen Mengen zur Verfügung stand, dass man hierfür eine so große Dose genutzt hätte.
Man kann daher vermuten, dass diese Dosen einem völlig anderen Nutzen erfuhren. Denkbar ist daher folgender genereller Gebrauch der Dosen mit gelochten Deckeln.

A) zur Lagerung von Kräutern oder ähnlichem, die gerade nicht luftdicht lagern aber gegen tierischen Fraß geschützt sein sollten.

B) Schlicht eine Nutzung als Wäschesprenger erfuhren. Wohl in jedem Haushalt gab es ein Bügeleisen und die damalige Kleidung aus Naturfaser musste nach jedem Waschen gebügelt werden. Hierzu wurde die Oberfläche des zu bügelnden Stoffes mit einem Wäschesprenger befeuchtet. Das ist letztlich wahrscheinlich der allgemein gebräuchliche Nutzen der heute aufgefundenen gelochten Zünderdosen, völlig gleich, wie groß die Löcher sind, denn letzteres lag wahrscheinlich schlicht an der Verfügbarkeit von Bohrern, die im gewerblichen oder privaten Gebrauch äußerst gering war.

Zünderdose 2L 2. Weltkrieg als Pfefferstreuer
Bei dieser Zünderdose liegt die industrielle Fertigung auf der Hand, denn es wurde hier ein komplett neues passendes Oberteil angefertigt. Solche Möglichkeiten hatten nur Fabriken, die bereits im 2. Weltkrieg Bakelitteile - sicher eben genau die Zünderdosen - hergestellt hatten. Man hat hier die lagermäßig vorhandenen Zünderdosen genommen, die Original-Deckel entfernt und einen 'Sonderdeckel' extra angefertigt. Zudem wurden alle Herstellerkennzeichnungen aus dem Boden gefräst. Es dürfte sich hier um einen Wäschesprenger handeln.

Zünderdose 2L 2. Weltkrieg als Pfefferstreuer
Ich hatte ja oben geschrieben, dass es ein Problem war, Lebensmittel vor tierischem Fraß zu schützen. Dieses Problem löste man auch mit Giften, die seinerzeit frei verkäuflich waren. An jeder Drogerie, jedem Lebensmittelladen und jeder Tankstelle konnte man Insektengifte kaufen, die dann mit Zerstäubern reichlich in den kleinen Behausungen verteilt wurden. Das Bild zeigt eine 'Giftspritze', bei der der Gifttank aus einer Zünderdose 2L besteht. Es dürfte sich um eine gewerbliche Fertigung eines Kleinbetriebes handeln.

Zünderdose 2L 2. Weltkrieg als Pfefferstreuer

Die obige Dose, sicher ein Wäschesprenger, konnte bisher noch nicht identifiziert werden. Außer der Form-Nr. 1829 befindet sich keinerlei Kennzeichnung darauf. Auch ist die Dose als Schutzdose für Zünder nicht stabil genug. Eventuell diente sie einem anderen militärischen Zweck oder ist eine komplett neue Nachkriegsfertigung.

Konvertierung der zugehörigen Zünder





© horst decker