Brotverteilung


Bleistiftzeichnung des ehemaligen Kriegsgefangenen Alfred Bauerle


Brot - ein Zauberwort, um das sich alles in der Sowjetunion dreht - immer!
Brot - der Inhalt des Daseins, das Sehnen des Hungernden, der Traum des Volkes und sein Reichtum. Wertmesser des sowjetischen Lebens ist Brot schlechthin. Wer es hat, ist reich, wer es nicht hat, ist arm. Hat das Volk Brot, dann sind gute, paradiesische Zeiten, hat es kein Brot, dann herrscht Hungersnot. Dann ißt man Brot, das aus Birkenrinde gebacken wird - oder man verhungert.

Zunächst bekamen die deutschen Kriegsgefangenen 400 Gramm Brot am Tag, dann 600, dann 670 Gramm. 52% Wasser sind hineingebacken. Läßt man es 2 Tage liegen, dann verschimmelt das schwarze, klebrige Zeug. Viel zu wenig ist es, man versucht mehr zu bekommen. Diebe, die sich 'Kameraden' nennen, stehlen es, wo sie seiner habhaft werden können. Erwischt man einen, wird er blutig und halbtot geschlagen.

Erhält man Brot, muss man es sofort essen, weil man sonst vom Russen bestraft wird. 'Sabotage an der Arbeitskraft' wird der Strafgrund genannt!

Man streitet sich um den Anschnitt, man stellt Tabellen auf, Listen, wer ihn bekommt, Krümmellisten werden geführt, Waagen fabriziert, damit die Portionen aufs Gramm stimmen. Jeden Tag wechseln der Brotschneider und der Verteiler. 40, 50 Augenpaare beobachten sein Tun. Was machen die Verhungernden mit ihrem Brot? Fragt die Überlebenden! Brave wurden heißhungrige Bestien!

Heiliges Brot! Was ist um dich alles geschehen!

Armseliges Brot! Wie glücklich hast du sie gemacht!

Aber starrende Augen lauerten gierig, haßbereit, unerbittlich, erbarmungslos zu verurteilen und zu richten, unerbittlich, hart und grausam.

Hunger macht aus Menschen Bestien ohne Verstand.

Aufsatz des Kriegsgefangenen Richard Noethliche aus dem Jahr 1952


© horst decker