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Die Verwendung und das Recyclen von Stielhandgranaten Modell 43

Emaillebecher aus Stielhandgranate 43
Auf den ersten Blick ein Becher, wie sie zu Tausenden in der deutschen Nachkriegszeit aus Schrott und beliebigen Hohlkörpern gefertigt wurden, denn der Bedarf an Trinkgefäßen war riesengroß. Bestanden doch in der Kriegszeit die meisten Trinkgefäße aus zerbrechlichem Porzellan oder Steingut. Durch die starken Bombardierungen der Städte wurde nicht nur ein großer Wohnungsbestand vernichtet, sondern damit naturgemäß auch sehr viel Hausrat. Konnte man Gegenstände aus Blech eventuell wieder gebrauchsfähig machen, war Hausrat aus zerbrechlicher Ware unwiederruflich verloren.
Auch die Millionen von Flüchtlingen, die ja weitestgehend alles in ihrer Heimat zurücklassen mussten, mussten mit neuem Hausrat versorgt werden.
Besonders dringlich waren Trinkgefäße, ist doch das Trinken für alle Lebewesen von größerer Wichtigkeit als das Essen, bei dem man zudem noch auf Lebensmittel ausweichen konnte, die man 'aus der Hand' essen konnte.
Man findet daher Tassen von enormer Größe, aber auch winzig kleine Tässchen, weil eben gerade ein entprechender militärischer Hohlkörper zur Verfügung stand.

Der hier abgebildete Becher ist etwas kleiner als die Becher, die man üblicherweise sieht. Schlägt man nun den Becherboden mit einem kleinen Metallstab an, so erklingt ein heller und harter Ton, was darauf hinweist, dass sich unter der Emaillierung hochwertiger Stahl befindet. Ein deutlicher Hinweis auf eine Fertigung aus 'Waffenstahl', denn kein Produzent von Blechbechern würde so hochwertigen Stahl einsetzen, der die Produktion durch geringe Werkzeugstandzeit und hohe Materialkosten deutlich über die technischen Anforderungen an einen Becher verteuern würde. An drei kleinen Emailabplatzungen scheinen auch der typische, leicht graue Stahl und Reste der Brünierschicht durch.
Hat man bereits einige deutsche Stielhandgranaten gesehen, so erinnert die Becherform direkt an die Proportionen des Sprengkopfes einer solchen Stielhandgranate. Hat man ein solches Belegexemplar in entschärfter Form, so würde der Vergleich der Maße diesen Verdacht bestätigen.
Letztlich wäre das die Möglichkeit, eine Produktion aus der Stielhandgranate Modell 1924 nachzuweisen.
In diesem Falle ist das jedoch nicht einmal nötig, denn schaut man sich den Boden des Bechers an, so sieht man in dessen Mitte eine eingesetzte Scheibe mit konzentrischen Ringeinprägungen. Das weist auf einen Kopf der Stielhandgranate Modell 1943 hin, bei dem sich der Zünder nicht wie beim Modell 1924 unten am Topf befand und mittels einer durch den durchbohrten Stiel geführten Schnur am Ende des Stiels ausgelöst wurde, sondern bei dem oben am Sprengtopf ein Zugzüder angebracht war.
Schaut man sich den Boden sehr, sehr genau an, so erkennt man im hier vorliegenden Falle im Emaille noch ganz schwach die Struktur des Herstellerstempels, den ich mit '44foo' identifiziert habe. Hierbei steht '44' für das Herstellungsjahr 1944. Die Buchstabenfolge 'foo' ist eine Verschlüsselung des Herstellernamens. Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurden auf allen Waffen und Ausrüstungsgegenständen, die für nicht-zivile Zwecke hergestellt wurden, nicht mehr der Herstellername, sondern ein für ihn vergebener Code aufgestempelt. Das diente dazu zu verhindern, dass der Kriegsgeger durch in seine Hände gefallenes Rüstungsmaterial Aufschluss darüber gewann, in welchen Betrieben und an welchen Orten strategisch wichtige Rüstungsgüter hergestellt wurden, und diese Produktionsstätten gezielt bombardierte.
Der Code 'foo' steht für die Firma Främbs & Freudenberg, Maschinenfabrik Schweidnitz.
Schweidnitz, heute Swidnica liegt heute in Polen, knapp 50km südwestlich von Breslau und nahe der Grenze zu Tschechien.
Offenbar fertigte die Firma wärend der Endphase des 2. Weltkriegs Sprengtöpfe für die Stielhandgranate Modell 1943 her. In hier vorliegendem Falle kann man davon ausgehen, dass der Becher aus einem unfertigen Handgranatenkopf hergestellt wurde, denn das Loch für das Zündergewinde ist noch nicht in die Scheibe eingestanzt. Dennoch kann man nicht annehmen, dass die Firma Främbs & Freudenberg diese Becher selbst aus vorhandenem Material gefertigt hat, denn mit Kriegsende lag sie auf polnischem Gebiet. Es ist eher davon auszugehen, dass in der Firma noch vorhandenes Rüstungsmaterial bzw. deren Halbfertikate von den Alliierten sichergestellt worden und später an Produktionsstätten verkauft worden waren.

Zünderdose 2L 2. Weltkrieg als Pfefferstreuer
deutsche Stielhandgranate Modell 1943




© horst decker