Aufsatz von Marlies Strecker

Marlies Strecker war Schülerin in einer Frankfurter Mädchenschule. Der Aufsatz stammt vom 25. Oktober 1947. Beim Lesen des Textes muss man beachten, dass der Straßenverkehr an der heutigen Situation gemessen äußerst gering war. Aber gerade deshalb war es fast immer möglich, Hauptstraßen ohne Risiko zu überqueren, aber eben nur fast immer.
Große Kreuzungen waren durch Schutzpolizisten gesichert, die - wie heute Ampeln - den Verkehr regelten. Außerhalb dieser Kreuzungen mit geregeltem Verkehr überquerten die Fußgänger die Straßen nach eigenem Gutdünken und eigener Gefahrenabwägung, bzw. folgten ohne eigene Prüfung des Verkehrs anderen Passanten.
Heute ziehen fast alle Bürger eine solche Möglichkeit wegen des lückenlosen Autoverkehrs erst gar nicht in Betracht und benutzen die durch Ampeln gesicherten Fußgängerüberwege.
Interessant ist auch der Hinweis auf die überfüllten Straßenbahnen, bei denen Bürger auf dem Trittbrett, also außerhalb des Fahrzeuges mitfuhren.
Die Angabe des genauen Tages der Verkehrserziehungswoche wurde im Aufsatz - offenbar aus Unkenntnis - ausgelassen.

Die seinerzeit gültige Orthografie und Interpunktion wurde belassen!


Die Verkehrserziehungswoche

Marlies Strecker 25. Oktober 1947

Da noch immer so viel Unglücksfälle passieren, hat der Frankfurter Polizeipräsident eine Polizeierziehungswoche eingeführt. Sie dauert vom   .10. -   .10..
Der Polizeipräsident mußte die Woche einführen, da die Bevölkerung sich nicht an die polizeilichen Vorschriften hält. [Dieser Satz wurde vom Lehrer rot durchgestrichen!]
Sie hängen immer noch an den Straßenbahnwagen, laufen immer noch trotz des starken Verkehrs unachtsam über die Straßen, obwohl schon sehr viel Unglücksfälle dabei passiert sind. In der Stadt sind von den Polizeibeamten Heftchen zu bekommen, worin die Verkehrsregeln enthalten sind. Es gibt zehn Gebote für Fußgänger, Kraftfahrer, Radfahrer, Fuhrwerke und Kinder. Uns betrifft hauptsächlich das Gebot für Fußgänger. Es enthält Vorschriften und Beratungen für uns, zum Beispiel 'Laufe nicht unbesonnen über die Fahrbahn, wie oft schon ist dadurch ein Verkehrsunfall passiert'. Auch die ganze Stadt ist voll von Plakaten. Es sind auch eingerichtete Übergänge für Fußgänger, überall dort wo Verkehr ist. In der Stadt, am Hauptbahnhof und an der Hauptwache sind Lautsprecher, um den Verkehr zu regeln und dem Polizeibeamten seine Arbeit zu erleichtern. Als ich diese Woche in der Stadt war, kam mir ein seltsamer Zug entgegen. Einige Polizisten waren in Landsknechtskostüme gekleidet und ritten auf Pferden. Jeder von ihnen hatte ein Warnschild, andere bliesen auf Trompeten, wieder andere ritten ohne Kostüme auf Pferden. Es zogen auch kleine Ponnys einen kleinen Wagen, an dem polizeiliche Vorschriften standen. Das Ende des Zuges bildete ein Kamel; auch an ihm hing ein Warnungsschild.
Der Polizeibeamte ist unser Freund und Helfer. Wenn wir falsch laufen oder fahren, so sagt er es uns im Guten. Deshalb müssen wir sie unterstützen und immer auf die Verkehrsregeln achten.

© Horst Decker