'Rücktrittsrede des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Kurt von Schuschnigg, 11. März 1938


Österreicher und Österreicherinnen!

Der heutige Tag hat uns vor eine schwere und entscheidende Situation gestellt. Ich bin beauftragt, dem österreichischen Volke über die Ereignisse des Tages zu berichten:

Die Deutsche Reichsregierung hat dem Herrn Bundespräsidenten ein befristetes Ultimatum gestellt, nach dem der Herr Bundespräsident einen ihm vorgeschlagenen Kandidaten zum Bundeskanzler zu ernennen und die Regierung nach den Vorschlägen der deutschen Reichsregierung zu bestellen hätte, widrigenfalls der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich für diese Stunde in Aussicht genommen wurde.

Ich stelle fest vor der Welt, daß die Nachrichten, die in Österreich verbreitet wurden, daß Arbeiterunruhen gewesen seien, daß Ströme von Blut geflossen seien, daß die Regierung nicht Herrin der Lage wäre und aus eigenem nicht hätte Ordnung machen können, von A bis Z erfunden sind.

Der Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volke mitzuteilen, daß wir der Gewalt weichen. Wir haben, weil wir um keinen Preis, auch in diesen ernsten Stunden nicht, deutsches Blut zu vergießen gesonnen sind, unserer Wehrmacht den Auftrag gegeben, für den Fall, daß der Einmarsch durchgeführt wird, ohne Widerstand sich zurückzuziehen und die Entscheidung der nächsten Stunden abzuwarten.

Der Herr Bundespräsident hat den General der Infanterie Schilhawsky, Generaltruppeninspektor, mit der Führung der Wehrmacht betraut. Durch ihn werden die weiteren Weisungen für die Wehrmacht ergehen.

So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichichen Volk mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch:
Gott schütze Österreich!


© Horst Decker



Quellenangabe:
Buch 'Weltgeschichte der Gegenwart, Band 5, Internationale Politik 1937/38, Werner Frauendienst 1940
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