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Der Dichter Erich Hempe befindet sich auf Heimaturlaub bei seinen Eltern in Breslau




             Radom, den 26. Juni 1942
Mein liebes Hens'chen!

              Nun hat mich das Schicksal das
erste Mal hart angefaßt und ich kann nur hoffen,
daß diese Angelegenheit ein einigermaßen gutes Ende
findet. Schmerzen empfinde ich nur darüber, daß ich
Dir dieses Leid angetan habe. Ich bin leicht-
sinnig gewesen und muß diesen Leichtsinn nun
bitter büßen. Als gestern die Arrestzelle hinter mir
geschlossen wurde, rief ich mit Schmerzen nur
Deinen Namen. Und als ich daran dachte, daß dies
das Ende unserer Freundschaft sein soll, da traten
mir seit langer Zeit wieder einmal die Tränen
in die Augen. Wenn ich daran zurück denke, was
für Zwischenfälle dem Geschehen vorausgingen,
komme ich zu der Überzeugung, daß es mein
Schicksal war.
Nun lieber kleiner Zigeuner!
                  was mir auch noch bevorstehen
möge, immer werde ich Dich, Dein Glück und
Deine Zukunft über alles stellen. Aus diesem
Grunde will ich Dir auch offen gestehen, was
für Folgen meine Verletzung der Wachvorschrift
haben kann. Habe ich Glück, komme ich

mit 3 Wochen geschärften Arrest davon. Verfolgt
mich auch weiterhin das Pech, dann wird
dieser Vorfall vorm Kriegsgericht behandelt und ich
könnte zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt
werden. Dieses würde dann für mich das Ende
bedeuten. Ich weiß nicht, wie Du mein Kamerad
darüber denkst. Sollte aber das Schlimmste ein-
treten, dann werde ich wohl darauf verzichten
müssen, Dich zu gewinnen.
Was auch immer kommen mag, ich blicke mit
Ruhe in die Zukunft. Denn in 60 Jahren ist
alles vorbei.

                      Ich weiß nicht ob ich Dich mein
                      Liebling noch einmal wiedersehe
                     erwarte aber baldige Nachricht von Dir
                     und grüße Dich recht herzlich
                            als Dein
                                      Erich

© Horst Decker