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Brief von Ehefrau in Rüdersdorf (bei Berlin) an Luftwaffenleutnant in Grottkau

Rüdersdorf, d. 22.XII.1944


Mein geliebtes gutes Spätzchen!
Jetzt habe ich aber viel nachzuholen, vier
Briefe habe ich zu beantworten. Gestern habe
ich drei bekommen, vom 15., 16. und 18.
und heute einen vom 19. . Gestern kam
ich nicht mehr zum schreiben, so gerne ich
wollte mein Spatz, aber es ging wirklich
nicht. Ich kam gerade aus die Badewanne
da gab es Alarm. Es war um 3/4 10 bis 1/2 11.
Und eine Kälte im Keller kann ich Dir
sagen. Nur ein Glück das man da drin nichts
hört. Doch nun erst einmal zu Deinem
lieben Briefen die ich Dir hübsch der Reihe
nach beantworten will. - Es ist ja so unend-
lich schade das Du wirklich Weihnachten
nicht kommen kannst. Ich habe ja immer
noch gehofft, aber jetzt muß ich es wohl doch
aufgeben. Es ist so schade, ich hätte mich
ja so gefreut. Aber nun müssen wir eben
warten. Wie lange? Ach Spatz, ich habe so
eine große Sehnsucht. Am liebsten möchte
ich jetzt zu Dir kommen. Schade das unser

Junge noch so klein ist, sonst wären wir
bestimmt Weihnachten bei Dir. Ach Spatz, es
wäre ja so schön. Warum läßt Dich denn
der Oberst nicht weg? Aber das ist natürlich
eine dumme Frage. Doch einmal wirst Du ja
wieder bei mir sein. Und dann haben wir
uns wieder ganz doll lieb, ja mein Spatz. Hast
Du denn das Geburtstagspäckchen schon be-
kommen und auch die Kerzen? Dann hast
Du doch Weihnachten auch etwas. Muttschen
hat auch ein Päckchen für Dich abgeschickt.
Ja Spatz, wie das mit dem Schlafzimmer ist
das weiß ich auch nicht, wenn nicht bald
eins kommt dann werden wir wohl nach
Weihnachten umräumen. Vor Weihnachten
hat es ja keinen Zweck mehr. Ich hoffe ja
immer noch das wir ein Schlafzimmer be-
kommen. Wenn Du dann auf Urlaub kommst
kannst Du wenigstens schon im eigenen
Bett schlafen. Weißt Du, eigentlich brauchen
wir ja nur ein Bett. Oder will mein Spatz
seine Ruhe haben wenn er kommt? Ach
Spätzchen, wenn Du doch nur erst da wärst.
Ja Spatz, die Stiefel sind gleich nach Weih-

nachten fertig. Du machst mir so ein schönes
Geschenk und ich schenke Dir eine unfertige
Leibbinde. Aber sie wird bestimmt bald fertig,
und wenn ich nachts stricken muß. Mein
Spatz soll doch nicht frieren. Bei der einen
Zeitung wird es wohl auch bleiben die Du be-
kommen hast. Es gibt nämlich einfach keine
und nach Weihnachten nehmen sie erst
wieder Bestellungen an. Aber dann sollst
Du sie wieder bekommen. - Es wäre schön
wenn wir auch ein bischen Schnee hätten,
aber leider. Ich hab auch noch gar keine
richtige Weihnachtstimmung. Weiß Du
noch vor zwei Jahren? Es war so schön. -
Da ist es ja bei Euch schon ganz schön kalt.
14°, hu, wenn ich das lese dann friere ich
schon. Heute früh hatten wir ja auch 9 1/2°.-
Die Ofenbank kostet 45-RM. Heute hat es uns
Frau Stolze gesagt, sie hat sich ja auch
erst nach dem Preis erkundigt. Nun wird
es natürlich gleich bezahlt. Heute habe
ich übrigens von der Krankenkasse 308,60 RM
bekommen. Ganz schön was? Lange ge-
nug hat es ja auch gedauert. - Wenn ich

Dir jetzt die Adresse von der Sonnenburger
Oma schreibe bekommt sie die Weihnachts-
grüße doch nicht mehr. Aber Du kannst es
ja nachholen: Sonnenburg b./Küstrin -
Neustadt 17 bei Thime. - Berlin 0112
Proskainerstr. 16 II Tr., das ist die Anschrift
vom Backpulvervetter. Der ist übrigens
Weihnachten auch hier. - Sonst geht es hier
alles ganz gut. Wir verstehen uns und das
ist die Hauptsache. Du kannst also ganz
beruhigt sein. Auch Muttschen ruft öfter
an. Ich glaube sie wollen Neujahr alle
kommen. Mal sehen. - Ich paß schon auf
das sich der Junge nicht erkältet, er ist doch
mein ein und alles. Wenn es Weihnachten
so kalt ist nehme ich ihn auch nicht
mit nach Hause. Sonst erfriert er mir
noch unterwegs. Seine Zähnchen sind immer
noch nicht durch, wer weiß wann die kommen.
Doch Spatz, ich stehe bestimmt den ganzen
Tag am Fenster und warte. Wenn ich auch
weiß das Du nicht kommst. Ich habe doch
solche Sehnsucht. - Ich bin ja wirklich
gespannt wie das mit der Beschwerde noch

wird. Hoffentlich wirst Du gerade zu Weih-
nachten versetzt und mußt über Berlin.
21 Uhr nennst Du spät? Wir gehen nie vor
22 Uhr ins Bett. Aber wenn mein Spatz
kommt gehen wir bestimmt schon um
19Uhr ins Bett. Um diese Zeit lege ich
auch den Jungen hin und dann schläft
er durch bis morgens so um 6 Uhr. Er
ist so artig und spielt jetzt schon ganz
alleine. Es ist doch ganz klar das ich am
heiligen Abend hier bleibe, trozdem ich
schrecklich gerne auch zu Hause wäre. Aber
es muß nun mal sein. Aber ich denke das
es auch hier schön wird. Heute habe ich mit
Deinem Vater einen Weihnachtsbaum ge-
holt, vom Rittergut Rudersdorf. Treffpunkt
am Zaun wo das Loch ist. Na ich kann
Dir sagen, ich bin bald angefroren, war das
kalt. Aber nun haben wir einen Baum und
morgen wird er geputzt, ich freue mich
schon drauf. Hast Du auch schon mal
nach Werneuchen geschrieben? Ich will
es doch hoffen. So mein Spatz, jetzt

muß ich aufhören. Ich habe noch Arbeit.
Wir haben erst einen Bettschuh für
Mutti fertig und der andere soll jetzt
noch gemacht werden. Es ist zwar gleich
22 Uhr, aber er muß fertig werden. Stell
Dir mal vor, und übermorgen ist heilig
Abend. Wir können doch nicht 1 1/2 Bett-
schuhe schenken. Dann werden wir ja
ausgelacht. - Du wirst jetzt sicher schon
schlafen. Ach Spatz, wie gerne möchte
ich bei Dir sein. Nimm nun für heute
recht viele tausend Grüße und viele
viele Küsschen von Deinem sich ja
so nach Dir sehnenden und Dich so
lieb habenden glücklichen

Pummelchen.
tausend süsse Küsschen von
Deinem Jungen.

© Horst Decker


     


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