Brief von in Paris stationierter Wehrmachtshelferin an Freund im Fliegerhorst Strausberg

O.U. 20.IV.43

Mein geliebter guter einziger Spatz!
Ist denn das möglich? Heute habe ich auch keine Post von
Dir, nur eine Zeitung. Wie kommt denn das? Es ist
heute schon der zweite Tag. Oder schreibst Du mir vor
dem Urlaub nicht mehr, oder hast Du vielleicht so wenig
Zeit. Es sind doch noch 12 Tage bis zum Urlaub, das wäre
doch ein bißchen zu viel. Aber es wird wohl sicher wieder
an der Post liegen. Mein Spätzchen schreibt mir doch trotz
vieler Arbeit jeden Tag, wenn es auch nur ein kurzer
Brief ist. Ach mein Spatz, ich hab Dich ja so lieb. Es
ist für mich eine Qual bis zum Urlaub, aber die Zeit
vergeht ja auch. Ach wird der Urlaub schön. Ich möchte
am liebsten heute schon anfangen zu packen. Leider geht
das ja nicht, da ich die Sachen ja noch brauche.-
Was machst Du nun heute mein Spätzchen, habt ihr
auch eine Feier gehabt? Wir müssen um 10.00 Uhr antreten,
bis 08.00 Uhr habe ich Dienst gehabt da kannst Du Dir ja
denken wie müde ich war. Es mußte aber jede mit.
Dafür habe ich aber auch bis um 18.00 Uhr geschlafen.
Die anderen Mädel sind jetzt ins Soldatenheim ge-
gangen und ich sitze im Unterhaltungsraum und
schreibe Dir. Es ist herrliches Wetter. Wir würden jetzt
bestimmt einen schönen Spaziergang machen, durch das
Birkenwäldchen weißt Du? Ach es war doch immer so
schön. Morgen habe ich bis 19.00 Uhr frei, da werde ich mich
sonnen, wenn ich so blaß bin, sind die Anstrengungen
des Urlaubs so zu sehen. Du brauchst garnicht lachen.

Es kommt mir heute so vor als wenn Sonntag ist. Es ist
so einsam, eine wehmütige Musik im Radio. Heute genau
in 14 Tagen, es ist 20.25 Uhr, sitzen wir schon beide im
werneuchener Wüstenexpress. Das wird eine herrliche Fahrt.
Wird mein Spätzchen am Bahnhof sein? Aber natürlich. -
Wie ist den die Sache ausgegangen, die Du da aufgedeckt
hast, oder sind die Verhandlungen noch nicht beendet?
Das muß ja schrecklich sein, was da passiert ist. Hab keine
Angst mein Schatz, ich bleibe so wie ich bin ich habe ja Dich
und ich hab Dich so lieb. Ich möchte es Dir immer wieder
sagen wie lieb ich Dich habe, es ist so schön. Du hast mich
doch auch lieb mein Spatz? Weißt Du, wenn ich so im
Bett liege und noch nicht schlafen kann, muß ich
immer so dran denken, wie es kommt, daß ich Dich so lieb
habe. Ich habe nie gedacht, dass ich mal einen Mann so
lieb haben kann und alles für ihn tun könnte. Aber
es muß eben so sein. - Was werde ich jetzt machen? Es
ist noch so schön draußen und ich bin garnicht müde.
Aber ich werde trotzdem ins Bett gehen und noch ein
bißchen lesen. Du hast mir ja eine Zeitung geschickt, da
werde ich die neusten Ereignisse aus Berlin lesen.-
Wenn nur die Zeit bis zum Urlaub recht schnell vergeht.
Sei nun tausendmal gegrüßt und geküßt von
Deinem immer nur Dir gehörenden

Pummelchen.

© Horst Decker


     


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