Brief eines im Wehrmachtsgefängnis
München Stadelheim inhaftierten Soldaten

(es folgt der Stempel mit den Vorschriften der Standortarrestanstalt, München 19, Leonrodstr. 51)

Name: Camillo Kühles      Gef.B.Nr. 855 / Abt.55      München, den 23. Nov. 42



      Meine innigstgeliebte Annemarie! Vor allen Dingen herzinnigen
Dank für Deinen lieben Brief und dem Paket, das ich wohl mit dem Ra=
sierapparat u. Toilettenartikel sehnsüchtig schon lange erwartete.
Allerdings hatte ich wegen dem eingelegten Brot u. Obst große Kalamität
gehabt, denn es ist grundsätzlich das Senden von Lebensmittel verboten.
Darum bitte ich Dich, nur mehr Toilettenartikel und Schnupftabak zu
senden. Den Rasierpinsel vermisse ich sehr und zu meinem großen
Leidwesen fand ich nur ein kleines 20gr. Schnupftabakpäckchen vor. -
Warum vergönnst Du nicht mir das Einzige, was erlaubt ist? Sehr ge=
spannt bin ich auf die Neuigkeiten, die Du mir angekündigt hast und
hoffe, daß es ausnahmsweise einmal gute Neuigkeiten sind. - Heute sen=
de ich Dir beiliegend eine Rechnung vom Amtsgericht (in Räumungssache)
von 9.15 RM und bitte Dich, die Sache nach vorheriger Prüfung zu erledigen.
Hoffentlich ist jetzt endlich einmal die verdammte alte Wohnungsangelegen=

heit erledigt; ich habe wirklich reichlich satt. - Wenn Du meinen Ra=
sierpinsel schickst, bitte ich Dich auch einen mittelgroßen Kamm und
einige Rasierklingen noch zu senden. Das Zahnpulver im Staniol war
natürlich viel zu wenig und reicht bei weitem höchstens 8 - 10 Tage. Ich er=
suche Dich mir einige Päckchen davon zu senden. Ich weiß nicht
warum Du mich in letzter Zeit nicht mehr verstehen willst, d.h. meine
Wünsche Rechnung trägst. Also bitte, tue mir den Gefallen, ich darf
ja sonst nichts erhalten. Das wird sowieso ein sehr trau=
riges Weihnachten werden, weit weg in der Verbannung von meiner
Familie, aber auch die Zeit meiner Entlassung wird bald
kommen, denn die Zeit geht rasch voran und vergeht, dann werde
ich ganz bei Dir bleiben. Ich hoffe, daß uns der Lebensbund glück=
lich zusammenschweißt, was auch der Wille meines im Felde
stehenden Sohnes Egon ist. Bitte veranlasse Rechtsanwalt Dr.
Kartini, daß er mir mein endgültiges Strafende mitteilt; ich
habe 1. Sept. 43 errechnet. Überhaupt soll mir Kartini sein
Ergebnis in meiner Sache klar mitteilen, damit ich einmal wegen
meiner Militärangelegenheit (Feindbewährung) Bescheid weiß.
Für heute nehme die herzinnigsten Küsse und viele Grüße
entgegen von Deinem Dich stets liebenden ... Camillo.
Lasse bald von Dir hören, Herzl. Grüße an Fritz u. Thea, - Bitte bald Nachricht
         

© Horst Decker


     


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