Briefkonvolut Kreuter, Kriegsversehrung durch Erfrierungen

geschrieben 27. Januar 1945 von Geschäftsfreund aus Kemmlitz. Der Brief wurde nach Dorf-Güll geschrieben, wo die Familie Kreuter nach Bombardierung der Gießener Niederlassung Unterkunft gefunden hatte.

(Nachlass 'Josef Kreuter, Farben- und Stempelfabrikant, Frankfurter Str. 131, Gießen')


Kemmlitzer Kaolinwerke             Kemmlitz über Oschatz, den 27. Jan. 1945

Sehr geehrter, lieber Herr Kreuter!

Ihre freundlichen Zeilen vom 21. ds. Mts., die diesmal eine
verhältnismäßig kurze Beförderungszeit brauchten, erreichten mich
heute.
Sie glauben nicht, welche Freude Sie mir mit Ihrem Brief bereiteten.
Mit Ihrer Post erhielt ich auch die Expreßgutkarte über die von
Ihnen mit vieler Mühe expedierten 200 Gummiringe. Allerdings ist
die Expreßgutkarte ohne das Gut eingetroffen. Hoffentlich dauert
es nicht allzulange Zeit, bis die Ringe selbst einlaufen. Vermut-
lich sind die Verwüstungen Ihrer Fabrik doch ernsterer Natur, als
Sie mir diese mit Ihrem letzten Brief schilderten. Darf ich Sie nun
bitten, mir die Rechnung für die gelieferten Gummiringe recht bald
zugehen zu lassen, damit ich Ihrer werten Firma den Betrag über-
weisen lassen kann.
Unser Junge schrieb uns gestern, daß er im Lazarett in Bad-Sooden
infolge Erfrierung der Füße 2. und 3. Grades ebenso Verbrennung eines Armes
3. Grades liegt. Der Junge hat nach seinen Zeilen zu schließen,
große Sehnsucht nach uns und will ich versuchen ihn auch aufzu-
suchen, wenn ich die erforderliche Reisebescheinigung erhalte, ob-
wohl das Reisen von hier mit Personenzügen mehr als beschwerlich
ist.
Jedenfalls wünsche ich Ihnen und den Ihrigen weiterhin alles Gute.
Hoffentlich bleiben Sie vor weiteren Angriffen verschont.
Für Ihre grosse Mühewaltung, die Sie bezüglich Beschaffung der Gummi-
ringe hatten, danke ich heute nochmals verbindlich und verbleibe
mit den herzlichsten Grüßen

immer als Ihr
ergebener
Otto D...

© Horst Decker