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Briefkonvolut Kreuter, Schreiben mit Bedauern über Bombardierung Gießens

geschrieben 7. Februar 1945 aus Leipzig. Der Brief wurde von der Post nach Dorf-Güll weitergeleitet, wo die Familie Kreuter Unterkunft gefunden hatte.

(Nachlass 'Josef Kreuter, Farben- und Stempelfabrikant, Frankfurter Str. 131, Gießen')
Brief eines Geschäftsfreundes aus Leipzig, der kaufmännische Hilfe bei der Wiederbelebung des durch Bombentreffer geschädigten Geschäfts anbietet

Gustav Tietze AG - Direktion             Leipzig O 5, den 7. Febr. 1945

Sehr geehrter Herr Kreuter!


Für Ihren Brief vom 25.v.M. mit dem Bericht über die Zerstörungen
bei den Luftangriffen auf Giessen danke ich. Man hätte es früher
kaum für möglich gehalten, dass ein Ort wie Giessen, der in den
langen Kriegsjahren sogut wie verschont geblieben war, innerhalb
weniger Tage völlig zerstört werden könnte. Dabei ist es immer noch
ein gewisses Glück im Unglück, dass Sie mit Ihrer Familie gesund-
heitlich nicht zu Schaden gekommen sind und dass auch Ihre Fabrik
nicht vollkommen vernichtet wurde, sondern nach einiger Zeit, wenn
nicht neue Zerstörungen auftreten, schließlich doch wieder in Be-
trieb genommen werden kann. Vielleicht gelingt es Ihnen, wenigstens
die Dachschäden beheben zu lassen, damit das Wetter nicht noch zer-
stört, was bei den Luftangriffen erhalten geblieben ist. Freilich,
was man nicht selbst wieder notdürftig in Ordnung bringen kann,
bleibt meist monatelang unerledigt, weil es an Handwerkern fehlt.
Wenn Sie erst einen gewissen Abstand von den Ereignissen gewonnen
haben, so werden Sie auch bald wieder den Blick dafür gewinnen,
was von Ihrem Betrieb am schnellsten in Ordnung gebracht werden
kann, so dass Sie unter Umständen sogar bald wieder Ihren alten
Betrieb weiterlaufen lassen können, wenigstens behelfsmäßig, was
oftmals noch besser ist als das Arbeiten an einer Ausweichstelle,
auf der kaum das Notwendigste vorhanden ist.

Jedenfalls wünsche ich Ihnen in dieser Beziehung den besten Erfolg.
Dazu müssen Sie erst wieder gesundheitlich soweit sein, um auch ge-
wissen besonderen Belastungen standhalten zu können.

Ich bin gesundheitlich einigermaßen wieder imstande, wenigstens
den größten Teil des Tages im Geschäft sein zu können. Der Mangel
am Notwendigsten für die Betriebsfortführung erfordert ja auch mei-
ne Anwesenheit immer wieder aufs Neue.

Wenn Sie dann später soweit sind, dass Sie Hilfe brauchen, sei es
durch Lieferung verschiedener Waren oder durch zeitweise Übernahme
von Aufträgen auf Gummihandstempel, wenigstens eines Teiles Ihres
Bedarfs, so geben Sie bitte Bescheid.

Bis dahin sende ich Ihnen und Ihrer Familie herzliche Wünsche und
Grüße.
Ihre Elisabeth Tietze

© Horst Decker