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Wörtliche Wiedergabe der Kriegspredigt von Professor theol. D. Alfred Uckeley, Königsberg


Mit Gott durch Kampf zum Sieg!

Wenn unsere Feinde beten .....
Joh. 9,31: Wir wissen, daß Gott die Sünder nicht hört, sondern so
jemand gottesfürchtig ist und tut seinen Willen, den hört er.

Als ich vor einger Zeit an der Ostfront Vorträge hielt, begenete mir
als das Problem, über das sich unsere Leute, Offiziere wie Mannschaften, viel
Gedanken machen, dies: Es wird jetzt viel gebetet, hüben und drüben; deutsche,
russische, englische Christen beten alle zu dem einen Gott, jeder für sein Land
und Volk. Wen erhört Gott? Sind nicht die Gebete des einen Volkes, wenn
er die des anderen erhören wird, von vornherein zu Unwirksamkeit verdammt?
Oder ist's gar so, wie mancher sagt, daß die Gebete gewisser Völker Gott jetzt
nur beleidigen?
Man gibt sich die Antwort mit dem Satz: Gott ist neutral. Er darf in
das Treiben und Toben der Völker nicht hineingezogen werden. Aber diese
Antwort befriedigt nicht. Gott hört auf, Vater zu sein, wenn er sich nicht
um das Ergehen seiner Menschenkinder, ihrer großen Gruppen, wie ihrer einzelnen
Persönlichkeiten kümmert. Wir müssen tiefer nachdenken, wenn wir das Prob-
lem verstehen wollen.
Zunächst halten wir fest, daß Gott überall sein Volk hat. Es ist zwar
zeitgemäß, jetzt allgemein gewisse Völker zu verdammen und so zu tun, als ob
es in England nur Heuchler gäbe und in Amerika nur geldgierige Rücksichts-
lose, und als ob das dortige Christentum ausnahmslos auch diesen Einschlag
habe. Wir wollen solch ungerechtes Urteil nicht mitmachen. In solchen Worten
spricht lediglich der natürliche Mensch mit seinen Feindschaften und Leidenschaften.
Wir wollen uns hingegen immer wieder klarmachen, daß überall, wo gebetet wird
und die Bibel gelesen wird, Gott sein Volk hat, mag das nun diesseits oder
jenseits des Kanals sein, diesseits oder jenseits des Ozeans. Lassen wir uns
durch den Krieg und seine leidenschaftliche Erregung der Gemüter dafür den
Blick verschleiern.
Wir wollen uns doch sehr hüten, das Wort unseres Textes scharf zu ver-
teilen auf die einzelnen Nationen und zu sagen: Wir wissen, daß Gott die Sünder
- Engländer und Franzosen - nicht hört, aber die Gottesfürchtigen und die,
welche seinen Willen tun, das sind die Deutschen, ... die hört er. Ich habe
nicht den Mut dazu, solche Teilung und Verteilung vorzunehmen ....
Gott erhört Gebete, im Kriege ebenso wie in friedlichen Zeiten; das ist
uns gewiß. Hüben und drüben wird jetzt ehrlich und aufrichtig zu ihm gebetet;
das können und wollen wir nicht leugnen. Dann müssen sich, menschlich an-
gesehen. die Gebete der Völker kreuzen, sich widersprechen, sich aufheben. Wie
kommt man da mit seinem Denken heraus? - Ich glaube, wir müssen einen
ganz anderen Weg der Betrachtung einschlagen als der sonst üblich ist.
Beten und Beten ist nicht dasselbe. Es gibt ein Beten des natür-
lichen Menschen und ein Beten in der Nachfolge Jesu. Der natürliche
Mensch betet, wenn die Not es ihn lehrt. Erlebt er es, daß sich ihm alle Aus-
wege versperren und daß sein Nachdenken ihm kein Herauskommen zeigt, dann
faltet er seine Hände und versucht es mit dem Beten. So in der sogenannten
'Kriegsfömmigkeit' dort draußen, wo es gilt: Brechen alle Brücken ein, so soll Gott
mein Letztes sein in den Finsternissen - so auch daheim an den Krankenbetten
in Sorgennächten, bei Rat- und Hilflosigkeit.
Es kommt dem natürlichen Menschen dabei lediglich auf die Hilfe an, auf
den Ausweg, auf die Rettung. Dazu möchte er die Kraft der Allmacht für sich
mobil machen, und das Gebet soll ihm der Zauberstab sein, mit dem er an
Gottes Tor klopft. An der Hilfe liegt ihm alles, an Gott selbst liegt ihm weniger
oder gar nichts, je nachdem er noch fern ist oder schon näher dem Reich Gottes.
Vom natürlichen Menschen redet unser Text. Ihn hat hat er mit seinem Ge-
betserlebnis im Auge, wenn er sagt, 'daß Gott die Sünder nicht erhört' ....
anders ausgedrückt: Der natürliche Mensch hat keinerlei Zusage, daß er mit
seinem Beten einen Zauberstab gegen alle Not besitze. Hilft Gott ihm und gibt
ihm seinen Gebetswunsch, so ist das seine Freundlichkeit und seine erzieherische
Güte und Absicht, die den Menschen weiterführen, innerlich vertiefen, religiös
verfestigen will. Regel ist das nicht, nur gnadenvolle, absichtsvolle Ausnahme.
Anders das Gebet, das in der Nachfolge Jesu hörbar wird, ... die Art,
wie Jesu Leute beten. Unser Biebelspruch beschreibt sie als 'die gottesfürchtig
sind und tun seinen Willen'. Hier auf unserem Gebiete bedeutet das, daß sie
es sich, so oft sie beten, vorhalten, daß es der Allmächtige ist, der Heilige und
Ewige, mit dem und zu dem sie reden. Er ist ihnen keine Phrase, keine leere
Formel, in die man allerlei Gefühle und Empfindungen und Vorstellungen zu-
sammenfaßt, sondern er ist ihnen eine große, unumgängliche Wirklichkeit. Er
ist ihnen der, der aller einzelnen Menschen Geschick in seinen Händen hat. Und
in dieser Überzeugung falten sie ihre Hände und beten. Dann klingt ihr Gebet
in allen Stücken in Ehrfurcht, in heiliger Scheu - fernab, himmelweit ver-
schieden von dem aufbegehrenden Trotz des natürlichen Menschen, der zunächst
Gott die Bedingung stellt: Wenn du überhaupt da bist, dann mußt du mir
helfen. Wenn ich an dich glauben soll, dann mußt du mir die Meinen aus
der Krankheit oder Not retten, dann mußt du mir dies oder das geben. Hin-
gegen durch die Gebete, die die Leute in Jesu Nachfolge erschallen lassen, klingt
es als Unterton überall hindurch: Dein Name werde geheiligt.
Die Leute Jesu sind solche, die Gottes Willen tun. Das ist der zweite
Zug auf ihrem Antlitz, den unser Text beschreibt. Das spürt man auch in ihrem
Beten. Auf Gottes willen, nicht auf den einen Willen kommt es ihnen an.
'Sei es zum Leben, sei es zum Tode, Herr, ich erkenne deine Gebote.' Das
beherrscht ihr Beten und ihre Wünsche, daß Gottes Wille und Absicht, die er
mit ihnen hat, in ihrem Leben restlos zur Erscheinung und zur Geltung komme.
Gott hat mit einem jeden von uns eine ganz besondere Absicht. Solange uns
die nicht klar geworden ist, ist unruhig unser Herz, ist friedlos und ziellos unser
Handeln. Erst wenn wir erkannt haben, was Gott von uns haben will, und
wie Er unser Leben gestaltet sehen will, erst dann kehrt Ruhe und tiefer Friede
in unserer Seele ein. So ist das der andere Unterton, den wir allemal im Ge-
betsleben derer, die in der Nachfolge Jesu stehen, bemerken, daß ihnen vor
allem wichtig ist: Herr, dein Wille geschehe!
Beter in der Nachfolge Jesu - denn er selbst hat auch solche gebetet. Sein
Wünschen und Bitten vor Gott war beherrscht von dem Gedanken: Meine Speise
ist die, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat. Er hat in Gethse-
mane gebetet: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!
Alles Beten, das auf dieser Grundlage erwächst, hat die Verheißung der
Erhörung. Der Meister hat das erlebt; wir die Jünger, sollen es ihm nach-
erfahren dürfen. Beten wir so in der Nachfolge Jesu, so liegt für uns die
Hauptsache gar nicht nur in der Rettung aus der Not, sondern viel mehr, un-
gleich viel mehr liegt uns daran, daß wir auch in den schweren und schwersten
Lebenstunden, in denen wir stehen, den Vater nicht verlieren. Daß uns dann
Gott gewiß werde und wir ihn halten, spüren, erfahren, ja daß wir von ihm
gehalten werden, darauf kommt uns alles an; darum beten wir vor allem. Und
dann stehen wir vom Beten auf und gehen in den Not und den Jammer, in
alle Lebensschwierigkeiten hinein mit der zuversichtlichen Gewißheit: 'Kommt,
Brüder, laßt uns gehen, der Vater gehet mit.' Dann ist uns alles Leid ver-
klärt und erhellt; es braucht gar nicht behoben werden. Wir werden schon
hindurchkommen an des Vaters Hand. Wenn uns der Vater darin sichtbar,
deutlich erkennbar ist, das ist uns Trost genug, das ist uns Kraft übergenug.
- So unterscheidet sich das Beten in der Nachfolge Jesu vom Beten des natür-
lichen Menschen.
Nun treten wir an das Problem heran, von dem wir eingangs sprachen.
Wir haben jetzt tiefer, ernster vom Beten denken gelernt, und das soll unserem
Nachdenken zugute kommen, wenn wir die Gebete hüben und drüben, die Ge-
bete der Leute Jesu in unserem Volke und im Lager unserer Feinde beurteilen
wollen.
Der natürliche Mensch betet auch drüben nur, wie bei uns, um Sieg
und Ruhm seiner Waffen und um Untergang der Feinde. Das ist ihm genug.
Er will nur die schnelle Hilfe. - Das können wir außer acht lassen.
Der Beterin der Nachfolge Jesu tut das gewiß auch; denn es wird ihm
schwer, sich den Segen Gottes anders vorzustellen als so, daß Gott dem Volke,
dem er zugehört, Sieg und Heil verleiht. Aber, ist er wirklich ein Jünger Jesu,
so ist sein Anliegen, sein Gebet, im tiefsten Grunde doch noch mehr.
Ihm liegt es vor allem daran: Herr, sei meinem Volke gnädig. Gib, daß mein
Volk, dem ich angehöre, ein frommes Volk werde; gib, daß 'dein Name ge-
heiligt und gefürchtet werde, daß die Zahl der Gottesfürchtigen wachse; gib,daß
in unserem Volke 'Dein Wille geschehe,' daß die Zahl derer, die deinen Willen tun,
sich mehre.'
Solch Gebet hat allemal, überall die Verheißung der Erfüllung. Der Beter
wird zunächst und sogleich an sich selbst der Erhörung innewerden. Hätten
wir nur in der Zeit dieses Weltkrieges viele solcher tiefen, ernsten Beter hüben
und drüben, sie würden Gottes Reich, Kraft und Herrlichkeit in die zerissenen,
zerschlagenen Völker herabziehen, jeder in sein Volk zunächst hinein. Welchem
der Völker sie auch immer angehören und wie es jenem Volk dann immer äußerlich
ergehen mag, wenn nur das Volk innerlich von dieser großen Zeit Segen hätte,
dann hat Gott in seiner Weise das Gebet, wie er zugesagt hat, erhört. Es ist
dann ganz gleich, von welcher Seite der Schützenkette her es kam, und in welches
Volkes Sprache es aufstieg zum Thron des Allerbarmers.
Amen

© Horst Decker



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