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Brief des Soldaten P. Taprogge von der Ostfront, aus Mariupol am Asowschen Meer (nordöstlich der Halbinsel Krim)

                     Mariupol, 17.12.41

          Meine Lieben!
      Als ich den letzten Brief an Euch schrieb, glaubte
ich bis zum nächsten einmal etwas aus der Hei=
mat zu hören. Immer noch nichts. Ich wünsche mir
nur bis Weihnachten diese kleine Freude. Wenn es
bis dahin aber nicht klappt, wird es vielleicht gar=
nichts mehr. Denn sobald es kalt wird, werden
verschiedene Wagen von uns nach Deutschland ver=
schickt. Und zwar nach Düsseldorf. Bei diesen glück=
lichen bin ich. Mißtrauisch bleibe ich, denn wie
leicht kann wieder ein Strich durch gemacht werden.
Augenblicklich ist es nicht möglich. Seit einigen
Tagen ist es wieder am regnen. Wie jetzt die
Straßen aussehen, ist kaum zu beschreiben. Noch
gestern habe ich festgesessen. Um rauszukommen,
habe ich mir erst aus dem nächsten Haus eine
Schippe holen müssen. Der Dreck lief mir von
oben in die Stiefel. Jetzt stellt Euch vor, wie
man des abends nach Schluß aussieht. Ich wäre
wirklich froh, mal einige Wochen nach Deutschland
zu kommen. Hier ist wirklich nichts los. Die Lust
am Ausgang legt sich von selbst. Bei dienstfrei
strolcht alles im Hause rum. Des Sonntages
haben wir Gelegenheit ins Kino zu fahren. Für
uns, die wir noch nicht lange da sind, nichts Neues.
Die Filme habe ich in Iserlohn schon gesehen. Schade
wär es, noch vor Weihnachten abzureisen. Das wäre
immer sehr schön gewesen. Von allen wird eine

lustige Begebenheit gesammelt, um dann eine Weihnachts=
zeitung aufzusetzen. Außerdem wäre es auch kein Ver=
gnügen, gerade dann auf der Bahn zu liegen. Die Reise
wird wieder einige Wochen dauern. Sollte es drei bis vier
Wochen dauern, ohne eine Zeile von mir, dann wißt
Ihr Bescheid. Von feindlichen Fliegern haben wir lange
nichts gemerkt. Wie ist es bei Euch? Ich bin ver=
dammt neugierig auf den ersten Brief. Es ist bald
so, als wenn die Angehörigen verstorben wären.
Sonst viel Neues gibt es hier nicht. Orden und Ehren=
zeichen sind hier nicht zu holen. Höchstens im Drücken.
Des Morgens 8 Uhr Anfang, mittags 2 Stunden Pause,
wenn es dann dunkel wird ist Feierabend. Die
übrige Zeit schlagen wir mit Kartenspielen tot.
Geld hat hier gar keinen Wert. Ich bin wie
immer vorsichtig damit. Einige werfen mit hun=
derten von Marken rum und werden gleichgültig
damit. Alle 10 Tage gibt es jetzt 22.50. Wir
allein haben die Gelegenheit etwas kaufen zu
können. Die anderen wissen es auch nicht los zu
werden. Nun will ich schließen. Beim nächsten
mal, wenn Ihr gut betet, vielleicht mündlich.
                      bis dahin seid herzlich gegrüßt
                      von Eurem
           Paul.


© Horst Decker


     


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