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Brief des Soldaten P. Taprogge von der Ostfront, aus Lemberg

                     Lemberg, 21.10.41

          Meine Lieben!
      das Warten auf die neue Anschrift dauert
mir doch zu lange. Ich muß Euch doch vorher noch mal
schreiben. Am 9.10. sind wir von Birkental abge=
fahren und am 14.10. waren wir erst in Lemberg.
Es war eine schreckliche Fahrt. Der Hintern tat mir
vom Sitzen weh. Ich war froh und habe mich noch
nie so auf ein Bett gefreut, als wir hier ankamen.
Nächtelang haben wir auf den Bahnhöfen gelegen. Die
Fahrt dauerte so lang, weil wir nur von Güter=
zügen mitgenommen wurden. Oft haben wir geglaubt
wir seien vergessen worden. Nun liegen wir außer=
halb von Lemberg in einer Schule. In der Stadt
ist doch manches zerschossen worden. 80 Prozent der
Menschen sind Juden. Schreckliche Gestalten sind da=
runter. Des abends mit Anbruch der Dunkelheit
müssen wir zurück sein. An und für sich ist hier
garnichts los. Die schönsten Frauen soll der Russe mit=
genommen haben. Die Sprache ist meistens russisch.
Wer weiß, wann ich nun die nächste Post von
Euch erhalte. Ich könnte schon wieder so viel ge=
brauchen. Sogar das Geld ist mir alle geworden.
Die Verpflegung ist sehr knapp. Ich habe noch
nichts warmes wieder gegessen. Den ersten
Kohldampf schiebe ich also schon. Zigaretten gibt
es nur bei Verpflegung. Und das ist sehr wenig.
In der Stadt gibt es wohl welche, aber 50 Pfg.
das Stück. Auf unsere Fleischmarken gibt es

auch nichts. Am Sonntag wollte ich etwas essen, da
ich noch einige hatte, mußte aber mit lerem Magen
wieder abschieben. Nie hätte ich aber geglaubt, daß
ein Volk so herunter gekommen ist, wie schon hier.
Wie soll das erst im Osten werden. Ein sauberes
Haus oder Lokal ist eine große Seltenheit. So
etwas gibt es bei uns überhaupt nicht. Schon auf
der Fahrt merkte man wie Polen anfing. Kleine
Lehmhütten und ganz verkommene Kinder. Diese
liefen auf den Haltestellen hinter uns her, wegen
einem Stückchen Brot. Nachher hatten wir selber
nichts mehr. Einen guten Kammeraden habe ich
noch bei mir, die anderen sind alle verstreut
worden. Er ist aus Altenhundem. Auf der Fahrt
habe ich, in einem aus Rußland kommenden Zug,
den Schulten Teo aus der Ruhrstr. getroffen. Wir
haben uns beide sehr gefreut. An Hedwig soll
ich viele Grüße bestellen. Gerade wird hier erzählt,
daß wir vielleicht noch länger hier bleiben, und
jetzt kann ich hoffentlich noch etwas von Euch
hören. Ihr könnt Schulten auch Bescheid sagen, denn
den Brief habe ich schon fertig geschrieben. Die
Adresse heißt solang wir hier sind: Soldat
P. Taprogge, Lemberg, Postamt II, postlagernd.
Nun will ich schließen und hoffentlich bleibt
Ihr alle gesund. Seid nun tausendmal gegrüßt

           von Eurem Paul

Viele Grüße an Sophie, Frl. Schulte, Hedwig, Linchen
und Gertrud, bes. an Mia und Onkel Aloys.
Anbei etwas zum Lachen von Birkental.               


© Horst Decker


     


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