Brief aus dem Gefängnis Chemnitz, 16. September 1935

Die Zusendung von Tabak und
Lebensmitteln ist verboten. Geld
und Briefmarken dürfen den
Briefen nicht beigelegt werden.

Chemnitz, den 16. September 1935

Liebe Eltern u. Schwester!
    Euren Brief, auf den ich so sehnsüchtig ge=
wartet hatte, bekam ich erst am Montag Abend!
Da muß ich nun für 2 Briefe mich bedanken.
Wenn Ihr wieder schreibt, so adressiert den Brief
Mutschmannstr. 21. Dadurch geht es schneller, denn
die Briefe gehen erst dorthin, ehe wir sie bekommen.
Bei uns ist alles noch beim Alten, ein Tag
vergeht wie der andere ruhig u. schnell. Es werden
am 13. September nun schon 3 Monate, dass ich
in Untersuchungshaft bin. Hoffentlich bekomme
ich diese Zeit mit angerechnet, es würde mich
sehr freuen. Wenn Gerda Hecht Walter wieder trifft,
ich danke ihm für die Grüße u. wünsche ihm
u. Trudel alles Gute u. viel Glück in der Ehe.
Wünsche habe ich keine. Über Rudis Geld freue
ich mich. Was macht denn sonst das Geschäft?
Ich glaube dieses Jahr ist alles bißchen teurer.
Voriges Jahr war es gerade das Gegenteil. Ich be=
zahle für die Birnen 25 Pfennig u. bekomme jede Woche

ein Pfund. Das Obst fehlt mir ja tüchtig. Wo
arbeitet denn Hösch Guido? Der Erich muß doch
bald zu den Soldaten kommen. Nächste Woche
werde ich Rudi schreiben. Bleibt alle recht
gesund u. seit herzlichst gegrüßt von Eurem
                                Hans

© Horst Decker


     

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