Briefe eines im Gefängnis Chemnitz Inhaftierten, 1935


Auf allen Briefen befindet sich oben links der Aufdruck mit dem Hinweis, dass die Zusendung von Tabak, Lebensmitteln, Geld und Briefmarken verboten sind.
Leider wurde der ursprünglich vorhandene Schriftverkehr vom Ebay-Verkäufer aufgeteilt. Nach kurzer Inhaftierung in Chemnitz wurde der Briefschreiber in das Gefängnis Dresden verlegt. Die von dort geschriebenen Briefe konnten wir leider nicht erwerben. Ob noch weitere Briefe vorhanden waren, wissen wir nicht.
Der Briefeschreiber wurde offenbar am 13. Juni 1935 verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Die uns vorliegenden Briefe beginnen mit dem 9. September 1935. Was dem Inhaftierten vorgeworfen wird, geht aus ihnen nicht hervor. Vermutlich sind es 'politische Straftaten'.
Er hatte sich von seinen Angehörigen ein Schachspiel gewünscht, das er bereits erhalten hat und für das er sich bedankt. Er hat auch bereits die Regeln des Spieles erlernt und schon einige Spiele gegen Zellengenossen gewonnen.
Seine Mutter scheint unter der Haft des Sohnes stark zu leiden, was bei ihr dazu führt, dass sie kaum noch isst, weshalb Hans sich Sorgen um sie macht.
Sein zweites Schreiben legt Nahe, dass er zuvor selbstständig einen Lebensmittelladen geführt hat, den jetzt sein Schwager zumindest in sehr beschränktem Maße am Leben erhält.



9. September 1935Hans befindet sich seit einigen Tagen oder Wochen in der Haftanstalt Chemnitz. Ehemalige Zellengenossen sind bereits nach Dresden verlegt worden, was er für sich auch erhofft. Seine Eltern haben ihm ein Schachspiel geschickt, was er auch reichlich nutzt.Briefwiedergabe
14. September 1935Hans darf Besuch empfangen und die Gefängnisinsassen werden täglich ausgeführt. Wohin und unter welchen Bedingen beschreibt Hans nicht, ebenso wenig, warum sie den kompletten Tag stark ausgelastet sind. Eventuell müssen sie Zwangsarbeit leisten. Hans schreibt äußerst positiv von seiner Haft, so, als ginge es ihm womöglich besser, als seinen Angehörigen zu Hause, was sicher aber der Briefzensur geschuldet ist. Man könnte indirekte Mitteilungen aus dem Tex herauslesen. Ohne genaue Kenntnis von Hansens Situation gibt es hierfür jedoch auch keine Bestätigung.Briefwiedergabe
16. September 1935Hans schreibt nur sehr allgemein. Offenbar durchlaufen alle Briefe einer Zensur, die außerhalb des Gefängnisses durchgeführt werden. Jedenfalls erklärt Hans, dass die Zustellung schneller geht, wenn die Briefe nicht an das Gefängnis, sondern an die Anschrift 'Mutschmannstr.21, Chemnitz' gesendet werden, da sie vom Gefängnis ohnehin erst dorthin verbracht werden.Briefwiedergabe
30. September 1935 Einerseits schreibt Hans von der Hoffnung, bald aus dem Gefängnis entlassen zu werden, andererseits gibt er Anordnung, die gemietete Garage aufzugeben und den darin befindlichen Wagen zu zerlegen und im Haus zu verstauen, was eigentlich Gegenteiliges erahnen lässt. In der Tat wird er kurz nach diesem Brief in das Gefängnis Dresden verlegt. Briefwiedergabe
Es haben zwar weitere Briefe aus dem Gefängnis Dresden überlebt, jedoch konnten wir diese leider nicht erwerben, wodurch von uns das weitere Schicksal von Hans nicht mehr nachvollzogen werden kann.

© Horst Decker




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