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Brief eines Luftwaffensoldaten an ein ihm unbekanntes
berliner Fräulein

                      Sonntag, den 25. Oktober 1942
Liebes Klärli!
   Damit dieser Brief auf alle Fälle am 8.
November in Deine Hände gelangt ist, schicke ich ihn
schon jetzt ab. Du weißt doch, der Weg ist sooo lang!
Wenn auch die Worte 'Allweil fidel' nicht auf die
Karte gehören, so kannst Du sie doch beherzigen, be=
sonders in der heutigen Zeit. Wer immer heiter gelaunt
ist, hat andern gegenüber sehr viel voraus. Ich gebe Dir
nun einen guten Rat, obwohl es mir selbst schwer fällt,
diesen immer zu befolgen. Leider kann ich Dir meine
Glückwünsche nicht persönlich übermitteln, was ich
allerdings sehr bedaure. In unserm Programm können
wir ja eine Feierliche Gedenkstunde einlegen, unter
dem Motto 'nachträglich'!
   Und nun werde ich das sonntägliche
Plauderstündchen beginnen. Es ist allerdings erst zehn
Minuten vor fünf, wo Du sicher noch in tiefster Ruhe
in Deinem Bettchen liegst. Auf alle Fälle aber ist es
Sonntag, und da kann ich ja anfangen. Gestern
habe ich den Film 'Quax der Bruchpilot' zum zweiten
Mal gesehen. Auf dem Heimweg bin ich förmlich im
Schlamm stecken geblieben, der sich auf der Straße gleich=
mäßig in einer Höhe von 10 bis 20cm verteilt hat.

Wie ich es schon einmal sagte, ist das Radio hier im Osten
für uns eine einzig schöne Einrichtung. Tanzmusik
wird oft und gern gehört, das Funkbrett'l ist auch
immer sehr nett, dann sind Themen über 'Frauen' und
'Liebe' bei jungen Männern ja immer beliebt. Aber auch
andere Sendungen höre ich mir gerne an, so hörte ich
die Sendung 'Musik, die nie verklingt - oft gespielt -
oft gehört. Die Sendung begann mit 'Hat Dein heimat=
liches Land' von Verdi, es folgte der Walzer von Strauß
'Rosen aus dem Süden', dann sang Marcel Wietrisch 'Noch
sind die Tage der Rosen', jetzt kam wieder ein Walzer von
Strauß 'Du und Du', natürlich darf auch das schöne
Liedchen 'Peterle' nicht fehlen, dann sang Walter Lud=
wig 'Wenn zwei sich lieben' von Lehar, aus dem Vogelhänd=
ler, von Zeller. der übrigens nicht mal Musiker, sondern Kanz=
leirat in Österreich war, hörte ich das Lied 'Ich bin die
Christel von der Post', worauf das Duett 'Wer uns getraut' aus
dem Zigeunerbaron folgte. Dieses Duett erregte bei seiner Ent=
stehung einiges Aufsehen wegen seines Inhaltes, seines Textes,
der gegen das damalige Sittlichkeitsempfinden verstieß, Du
kennst doch den Text? Zum Schluß wurde dann etwas
Derbes neben etwas Zartes gestellt und zwar 'Der Marsch der
finnländischen Reiterei' neben das Rokokolied 'Gute Nacht
mein holdes süßes Mädel'. Hiermit hätte ich nun meinen
Brief schließen können, aber am frühen Morgen paßt
das noch nicht, machen wir es eben mit einem schönen Mor=
gengruß. Nun hoffe ich, daß Du den 8. Nov. recht nett verlebst.
Sei einstweilen herzlich gegrüßt von Deinem
                     Ulli



     


© Horst Decker