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Brief eines Luftwaffensoldaten an ein ihm
unbekanntes berliner Fräulein

                      3. Juli 1942
Liebe Klärli!
    Deinen lieben Brief vom 25.
habe ich bekommen, ich danke
Dir vielmals. Nun werde ich ihn nicht
gleich beantworten, er braucht sowieso
eine lange Zeit ehe er Dich erreicht.
Vor kurzem habe ich einge Aufnahm-
men gemacht und den Film nach
Hause zum Entwickeln geschickt, da
werde ich Dir also auch bald ein Foto
schicken können, damit Dein unbe-
kannter Soldat etwas bekannter wird.
Mit der Hitze sieht es nicht schlimm
aus bei Euch! Hier ist richtiges Aprilwetter,

Regenschauer, mal kalt, mal ist es
warm oder heiß. Napoleon sagte mal:
'9 Monate Winter und 3 Monate
keinen Sommer, das ist Rußland':
Ich glaube bald, er hatte Recht damit.
Mit alkoholischen Getränken sieht
es schlecht aus bei Euch, das will ich
wohl glauben. Wir feiern hier manch-
mal ganz anständig, was gibt es
hier schon an Abwechselung. Durch
einen kleinen Rausch versetzen wir
uns in ein schönes Traumland,
um für kurze Zeit der rauhen Wirk-
lichkeit zu entfliehen. In Bezug auf
künstlerischen Darbietungen kannst

Du Dich ja nicht beklagen. In mei-
nem nächsten Urlaub werde ich das
natürlich auch ausnutzen. Das or-
ganisieren von Karten werde ich Dir
überlassen, darin hast Du scheinbar
ein großes Talent!! Und sportlich
betätigst Du Dich oft, das finde
ich prima. Wenn man den ganzen
Tag im Zimmer sitzt, dann ist
ein Ausgleich bestimmt gut. Nun
bin ich schon wieder mit meiner Weiß-
heit am Ende angelangt. Hier ist
ein Tag genau so eintönig wie der
andere. Hier kann man im
wahrsten Sinne des Wortes 'stur' wer-

den, bei geeigneter Medizin wird
sich das aber schon wieder geben.
Nun wünsche ich Dir weiterhin
recht schöne Sommertage und
grüße Dich herzlich
          Ulli


     


© Horst Decker