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Feldpostbriefe Heimatkontakt

Wiedergabe von 27 Feldpostbriefen eines Obergefreiten des Jagdgeschwaders Mölders an Brieffreundin

Es war aus den Erfahrungen der vergangenen Kriege bekannt, dass die Überlebenschance von Soldaten auch davon abhing, in wie weit sie in ihrer Heimat fest verwurzelt waren, also eine enge Beziehung zu Personen in der Heimat hatten. Solche Soldaten wägten ihr Risiko rationaler ab und waren dadurch sehr viel effektiver in ihren Einsätzen.
Es lag daher im Interesse der Armeeführung, dass nicht-verheiratete Soldaten Beziehungen zu unverheirateten Frauen in der Heimat pflegten. Das wurde nicht nur durch Heimaturlaube gefördert, sondern sogar auch durch Bekannschaftsvermittlung direkt angeregt. Über nicht näher bekannte Wege erhielten NS Frauenschaften Feldpostadressen von ledigen Soldaten und vermittelten Brieffreundschaften zwischen jungen unverheirateten Frauen und an der Front befindlichen Soldaten.

Im Falle dieses Feldpostkonvolut wird ein solcher Kontakt in 27 Briefen des betroffenen Soldaten Ernst Ulrich Steffen von Anbeginn an bis zum Ende dargelegt. Es sind nur die Briefe erhalten, die er an die 'Unbekannte' schrieb. Die Briefe beginnen mit Datum des 22. Februar 1942 und enden am 7. Mai 1943.
Es ist schon erstaunlich, dass die Briefempfängerin die Briefe aufgehoben hatte, obwohl es nur zu einem eher 'nicht erfolgreichen' Treffen und so zu keiner wirklichen Beziehung gekommen ist.

Ernst Ullrich Steffen, der Schreiber der erhaltenen Briefe, hat Einzelshandelskaufmann gelernt, ist 24 Jahre alt und zur Zeit Obergefreiter und Funker des bekannten Jagdgeschwaders Mölders, das in Russland, 100km vor Moskau, stationiert ist. Zuvor war er bereits in Frankreich, Holland und Belgien eingesetzt. Erstaunt fragt er sie, woher sie seine Anschrift habe. Ihre Antwort ist nicht bekannt.
Er beschreibt seine hauptsächlichen Interessen mit Musik, Wassersport und Reiten.
Ab dem dritten Schreiben sind die 'beiden sich Unbekannten' schon per du. Klara Alandt, so der Name der jungen Berlinerin, hat ihm ein Foto von sich geschickt. Ernst Ulrich Steffen bedankt sich und erklärt, dass er vorerst kein Foto von sich zur Verfügung hat, da sich seine Bilder in seinem Elternhaus befinden und er an der russischen Front keinen Fotoapparat mehr hat wie zuvor in seinen Stationierungsorten in Frankreich, Holland und Belgien. Zur Zeit, März 1942, befindet sich seine Einheit in Posen. Er ist anfänglich noch sehr vorsichtig in seinen Mitteilungen an die Unbekannte. Es könnte ja auch eine Spionin sein?, oder jemand vom eigenen Nachrichtendienst, der die Geheimhaltung dienstlicher Vorgänge prüft.
Ulrich Steffen ist sehr musikalisch, spielt Klavier, Schifferklavier, Mandoline, Hawaii-Gitarre und Geige und deutet bereits an, dass ja mal später ein Treffen möglich sein kann.
Offenbar auf Grund ihres Vorschlages schlägt Ulrich Steffen in seinem Schreiben vom 4. Juni 1942 vor, dass sie sich ab jetzt duzen. Er berichtet von Flügen nach Smolensk und Minsk. In der letzteren Stadt hat er einen Musiker-Lehrgang absolviert.
Demnächst will er ihr Fotos von sich schicken und er bittet sie, Karten für eine kulturelle Veranstaltung zu beschaffen, wenn er auf Heimaturlaub kommt. An der Front sind häufige Alkoholexesse die einzige Abwechselung.
Am 15. August 1942 schickt Ulrich seiner Klara zwei Fotos von sich und hofft, dass sich so eine gute Beziehung entwickelt. Offensichtlich liegt er damit nicht falsch und die unbekannte Antwort, die ihm Klara am 11. Sept. gibt, beflügelt ihn, ihr in seinem Schreiben vom 22. September sehr deutlich zu verstehen zu geben, dass er eine Liebesbeziehung zu ihr wünscht. Er bittet sie um weitere Informationen zu ihren Lebensumständen, ihre Arbeit und wann sie Geburtstag hat. Dabei schildert er, dass er an der Front gerne Radiomusik hört und dass diese der einzige Trost für sie Soldaten ist. Er beschreibt er sich selbst als Operetten- und Opernliebhaber und erzählt ihr, dass er eineinhalb Jahre in Frankreich stationiert war, im Frankreich-Feldzug verwundet wurde und längere Zeit in einem Lazarett zugebracht hatte.
Im Oktober 1942 schreibt Ullrich Steffen an Klara, dass er nun seit mehr als einem Jahr in Russland ist, sein Geschwader seit dieser Zeit etwa 100km vor Moskau liegt und er seit dieser Zeit keinen Heimaturlaub mehr hatte machen können. Er erwartet allerdings, bald Urlaub zu erhalten und bittet Klara, für diese Zeit ein Progamm für gemeinsame Tage in Berlin zusammenzustellen. Ferner berichtet er von einem Besuch Oberst Gallands an seinem Stationierungsort, wobei er zu diesem Anlass mit anderen Musikern das Abendprogramm gestaltet hatte. Im weiteren beschreibt er den Truppenbesuch einer professionellen Tanzkapelle mit einer Sängerin, berichtet von Vorführungen von fast ausschließlich lustigen Filmen und, dass sie zwar gut untergebracht sind, aber ein Problem mit Mäusen haben.
Ab Oktober 1942 planen beide ganz konkret ein erstes Treffen in Berlin und es ist erkennbar, dass sich beide davon versprechen, ihre bisher rein briefliche Beziehung bei dieser Gelegenheit in eine Liebesbeziehung zu wandeln. Im Vorfeld dieses Treffens intensiviert Ulrich Steffen seine Bemühungen um Klara Alandt immer mehr, um so abzuchecken, ob seine Vorstellungen realistisch sind. Er verziert seine Briefe sehr aufwändig und nennt die Titel von romantischen Liedern in einer Art, die sofort Assoziationen in die Richtung lenken, dass diese Lieder genau das beschreiben, was er sich in der Beziehung zu Klara vorstellt.
Offenbar trifft er Klara während seines Weihnachtsurlaubs in Berlin, aber er schreibt nichts darüber in seinen folgenden Briefen. Auffällig werden die Briefe nüchterner und es fehlen ab sofort jedwede Andeutungen in Richtung einer Beziehung zu ihr. Am 14. Januar, wieder zurück bei seiner Einheit, schreibt er Klara, dass er sich während seines Urlaubs in ein anderes Mädchen verliebt habe. In dem kommenden beiden Briefe geht es dann auch recht unpersönlich nur noch über Kino und Wetter. Jedoch beschreibt er, dass es Zufall war, dass er während einer Geburtstagsfeier im Nachbarort ein anderes Mädchen lieben gelernt habe, denn seine Teilnahme an der Feier war nur möglich, weil sein Fronturlaub überraschend um drei Tage verlängert worden war. Er möchte ab jetzt den Kontakt mit Klara auf freundschaftlicher Basis weiter führen.
Jedoch zeigt er nicht mehr das vorrangige Interesse und der Briefwechsel wird schleppender. Am 7. Mai 1943 schreibt er dann zwar, sich wieder etwas mehr zu bemühen, allerdings reißt der Briefwechsel mit diesem Schreiben ab. Zumindest ist es sein letzter Brief, der im Nachlass von Klara Alandt aufgefunden wurde. Er kann zu diesem Zeitpunkt nicht gefallen sein, denn er befindet sich bei seinem letzten Schreiben im Reservelazarett Aschaffenburg am Main, wo er wegen einer Hautkrankheit in Behandlung ist.

DatumInhaltBesonderheitLink
22. Februar 1942Ernst Ulrich Steffen, Obergefreiter der Luftwaffe, wundert sich über den Erhalt eines Briefes von einer ihm völlig unbekannten jungen Frau. Er fragt, woher sie seine Anschrift hat und beschreibt sich selbst, sowie seine Interessen Briefwiedergabe
18. März 1942Ernst Ulrich Steffen, Obergefreiter der Luftwaffe, schickt eine Grußkarte zu OsternFeldpost Nr. L37791 aus Posen IIPostkartenwiedergabe
27. März 1942Ernst Ulrich Steffen, Obergefreiter der Luftwaffe, bedankt sich für ein Foto seiner Brieffreundin. Er selbst kann zur Zeit kein Foto schicken, da er keinen Fotoapparat hat. Er erklärt, zuvor in Frankreich, Holland und Belgien stationiert gewesen zu sein. Nun ist er Funker im Jagdgeschwader Mölders. Er ist sehr musikalisch und spielt die unterschiedlichsten Musikinstrumente.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
4. Mai 1942Ernst Ulrich Steffen, Obergefreiter der Luftwaffe, lobt seine Brieffreundin für ihren guten Schreibstil, offenbar hatte sie ihm geschrieben, das Buch 'Mölders und seine Männer' gelesen zu haben. Er erklärt, einige darin abgebildeten Soldaten persönlich zu kennen. Es ist Mai, und OGF Steffen bedauert, dass in Russland der Fühling noch nicht eingezogen ist, sondern die Landschaft trostlos sei.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
4. Juni 1942Der Frühling zieht so langsam ein und mit ihm kommen Mengen an Stechmücken, Ulrich Steffen und seine Brieffreundin vereinbaren, sich zu duzen. Er berichtet von Flügen mit der Ju52 und einem 12-tägigen Musiker-Lehrgang. Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
3. Juli 1942Das Verhältnis wird persönlicher, er bittet sie, Karten für kulturelle Veranstaltungen zu beschaffen, wenn er auf Urlaub kommt. Ansonsten gibt es an der Front nur Besäufnisse.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
27. Juli 1942Ulrich Steffen bedankt sich für eine Urlaubskarte, die ihm seine Brieffreundin Klara aus Bad Schandau geschickt hat und beklagt das gar nicht sommerliche Wetter an seinem Stationierungsort in Rußland.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
11. August 1942Ulrich Steffen beschreibt den russischen Sommer mit seltenen Sonnentagen, aber wenn die Sonne scheint, sei es extrem heiß. Berichtet von 3511 Feindabschüssen des Jagdgeschwader Mölders, dem er angehört.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
15. August 1942Ulrich Steffen schickt Klara zwei Fotos von sich.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
27. August 1942Ulrich Steffen beantwortet Klara Fragen nach seinem Elternhaus uns seiner Jugend, sein Vater war Gutsverwalter des Barons von Putlitz und ist zur Zeit Verwalter des Gutes Krams, er erzählt von einem Wanderurlaub in der Brockenregion und erwähnt einen unmittelbar zurückliegenden Fliegeralarm in Werneuchen, wo sein Geschwader seinen Sitz hat.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
22.September 1942Ulrich Steffen beginnt Klara recht offen zu verstehen zu geben, dass er eine Liebesbeziehung zu ihr wünscht. War seine Schrift zuvor teils schwer lesbar, so schreibt nun in aufwändiger Schönschrift und dekoriert seinen Brief mit Randskizzen und beendet den Brief mit einer Grafik .Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
27.September 1942Ulrich Steffen schreibt wieder in normaler Schrift. Er berichtet, dass er eineinhalb Jahre in Frankreich stationiert war und während des Frankreich-Feldzuges verwundet wurde und längere Zeit in einem Lazarett zubrachte. Er befragt Klara zu ihren Lebensumständen und was sie arbeitet.Feldpost Nr. L37791 aus Posen IIBriefwiedergabe
04. Oktober 1942Ulrich Steffen schreibt wieder in normaler Schrift. Aus praktischen Gründen stellt er allerdings auf Bleistift um. Er beschreibt einen Besuch von Oberst Galland und dass er seit einem Jahr rund 100km vor Moskau stationiert ist, dass er auch bereits so lange erreicht haben wollte. Er plant einen Heimaturlaub, in dem er Klara in Berlin besuchen möchte.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
18. Oktober 1942Ulrich Steffen beschreibt seinen Frontalltag, erzählt von Veranstaltungen der Truppenbetreuung und von einem Mäuseproblem.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
24. Oktober 1942Ulrich Steffen erklärt zwar bildhaft aber dennoch recht unverblümt seine, auch erotischen Interessen bei dem in Bälde stattfindendem ersten Treffen in Berlin, das von Klara, die ihm zuvor offenbar ähnliche Interessen signalisiert hatte, bereits ausgiebig geplant ist.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
25. Oktober 1942Ulrich Steffen wünscht Klara indirekt ein schönes Geburtstagsfest, bei dem er gerne anwesend wäre. Ansonsten beschreibt der das Radioprogramm es AbendsFeldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
27. Oktober 1942Ulrich Steffen machte Klara Vorschläge, wie das für zwei Tage geplante Treffen in Berlin ablaufen könnte und macht kaum einen Hehl daraus, dass er auch ihre körperliche Nähe sucht.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
31. Oktober 1942Der Heimaturlaub von Ulrich Steffen ist in spürbare Nähe gerückt und im Vorfeld steigern sich seine Bemühungen um Klara. Er verziert die Briefe an sie und beschreibt seine Vorstellungen durch Nennung von Titeln romantischer Liebenslieder.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
8. November 1942In Russland zieht der Winter ein. Die Temperaturen sinken bereits auf -15 Grad und die Abende werden kurz. Ulli musiziert mit Kameraden. Er schreibt Klara über seine zivile Ausbildung, seinen Kaufmannsberuf und dessen Berufschancen.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
18. November 1942Das Wetter ist wieder etwas milder. Offenbar kursiert in der Heimat das Gerücht eines nahen Kriegsendes, das Uli dementiert.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
18. November 1942Ulli schwärmt und deutet erneut seine Absicht an, beim nahen Treffen mit Kläri eine Liebesbeziehung zu beginnen.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
21.Dezember 1942Ulli hat seinen Urlaub beendet. Mit keinem Wort beschreibt er, ob es zu einem Treffen zwischen ihm und Klara kam. Außer der Tatsache, dass er auf der Rückfahrt zu seiner Truppe ist, gibt es keinen Hinweis auf den Urlaub.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
02. Januar 1943Ulli ist nun wieder bei seiner Truppe und beschreibt kurz seine Weihnachts- und Neujahrsfeier. Auf den Urlaub, in dem er Klara wohl getroffen hatte, geht er mit keinem Wort ein. Auffällig ist, dass seine Schreiben an sie seit dem nicht mehr so euphorisch, sondern eher nüchtern sind.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
14. Januar 1943Ulli beschreibt kurz seine Syvesterfeier, bzw. dass er da wohl berunken war. Dann erklärt er Klara, dass er sich während seines Heimtaurlaubs in ein Mädchen verliebt habe.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
06. Februar 1943Das Schreiben ist recht unpersönlich und Uli berichtet nur über Filme, die er kürzlich gesehen hat und dass es in diesem Jahr in Russland wärmer als im vergangenem Jahr ist.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
20. Februar 1943Das Schreiben ist im freundschaftlichen Ton gehalten, die Schrift lange nicht mehr so sorgfältig wie zuvor. Uli schreibt Klara, dass es Zufall war, der ihn mit seiner neuen Liebe zusammengeführt hatte, dass er mit ihr aber in Freundschaft verbleiben will.Feldpost Nr. L37791 Leitstelle Posen IIBriefwiedergabe
07. Mai 1943Ulli schreibt aus dem Reservelazarett Aschaffenburg, wo er wegen eines Hautleidens in Behandlung ist. Das Schreiben ist im freundschaftlichen Ton gehalten, aber es geht aus ihm hervor, dass er 'schreibfaul' geworden ist. Er verspricht, in Zukunft wieder häufiger zu schreiben, aber in der Realität ist es sein letztes Schreiben an Klara. Zumindest liegt kein weiteres Schreiben von ihm mehr vor.Aschaffenburg a.M., Reservelazarett im H.J. HeimBriefwiedergabe


© Horst Decker