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Schicksalsmühlen mahlen

Wiedergabe der Gedichte Adam Josef Metzner, geschrieben 1945/46 im Internierungslager Hammelburg

Josef Adam Metzner (20.Mai 1905 bis 21. Dezember 1999) lernte Buchhändler. Während des Dritten Reiches begann er, seine Erlebnisse in Gedichten zu verarbeiten. In dem kleinen Buch 'Schicksalsmühlen mahlen' fasst er wiederum die Erlebnisse zwischen 1938 und seiner Internierung 1946 in 17 Gedichten auf 24 Seiten zusammen.
Das Buch hat er selbst gedruckt, selbst gebunden und in sicher nur kleiner Auflage selbst verteilt.
Das vorliegende Buch ist in eine Art 'Schlafanzugsstoff' gebunden und trägt eine persönliche Widmung des Autors vom 3.10.1946 an seinen Kameraden Heinrich Hummel.
Nachdem sich das Nachkriegsleben in Deutschland normalisiert hatte, gründete Josef Adam Metzner die Zeitschrift 'Die Stimme Frankens' und wurde ihr Herausgeber.

1.
Daß unser Leben sinnlos scheint,
wir müssen es ertragen.
Daß draußen manche Mutter weint
und antwortlos die Fragen,
die uns bedrängen Stund' um Stund',
wir können es nicht wenden.
Doch nie verschweigen wird mein Mund
- mag so, mag so es enden -
Wir haben's gut gemeint!

Stacheldraht.

Die Schnitter mähen das reife Korn.
Die Fauen mühn sich garbenbindend hinterher.
Und wir? Wir schauen müßig und verlorn
und sehnsuchtsvoll ins wogend Ährenmeer.
- Wir hätten so gerne mitgetan
- von früh bis spät und Mann für Mann.
Doch keiner ging von uns zur Mahd,
die Schnitter und úns trennt der Stacheldraht.

Er herbstet, farbig färbt sich das Laub.
Der Viertakt der Drescher klingt zu uns her.
Ihr Tagewerk in Hitze, Schweiß und Staub,
wir wissen es alle - ist mühsam und schwer.
- Was gäben wir, könnten wir werken wie sie!
- Was gält uns der Schweiß und was die Müh?
Doch wir eilten nicht zur helfenden Tat -
die Drescher und uns trennt der Stacheldraht.

Und Weihnacht ist's in allen Herzen,
glüht Lieb und Freude wie ein Licht.
Am Baume brennen schon die Kerzen.
Ob deine Mutter von dir spicht?
- So gern wären wir nach Hause geeilt
- und hätten bei Euch, Ihr Liebe, geweilt,
Warum wir nicht kamen? Sag es doch Kamerad!
Euch zu Hause und uns trennt der Stacheldraht.

Und Frühling wird es. Es weht der Föhn.
Du siehst die ersten Knospen am Baum.
Zart grün schon leuchten die Hügel der Rhön.
Die Natur erwacht aus Schlaf und Traum.
- Wir möchten streifen durch Wald und Feld,
- dem Wind und der Sonne zugesellt.
Du willst nicht, daß ich Deinen Gram verrat?
Das Wandern verwehrt uns der Stacheldraht.

Der Freiheit, der Heimat, der Arbeit beraubt
sind wir. Und weiß Gott, für jeden ist's schwer.
Wir haben allein an Deutschland geglaubt.
Verbrecher waren wir nimmermehr.
- Wir wollten, daß Deutschland frei und groß,
- daß keiner hungert, keiner bloß.
Ich wollte nur Gutes - und Du auch Kamerad!
Und trotzdem sind wir hinter Stacheldraht.

Nacht.

Die Nacht ist kalt! Das Feuer ist aus.
Ich hüll mich in Decken und Mantel ein
und träume von Dir und den Kindern zu Haus.
In der Stube leuchtet der Scheinwerferschein.

Die Männer schlafen, die mit mir
zusammengepfercht auf engem Raum;
und meine Gedanken sind bei Dir.
Mich flieht der Schlaf, mich flieht der Traum.

Es atmen die Schläfer bedrückt und schwer -
dort stönt einer auf und einer seufzt tief.
Die Schatten geistern um mich her.
Ich möchte so gerne, daß ich schließ.

Mich flieht der Schlaf, mich flieht der Traum.
Ich denke an Dich und die Kinder zu Haus.
Der Nachtwind bricht ein paar Äste vom Baum.
Und immer die Frage: Wann komm ich hier raus?

Fortsetzung folgt

©Adam Josef Metzner, Horst Decker