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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 28. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie auf dem Rückzug und in Ungarn angelangt. Auch dort geht es fast täglich rückwärts und die sowjetischen Truppen befinden sich bereits auf der gegenüberliegenden Seite der Donau.


O.U. d. 28.XI.44

Meine liebe, gute Frau!
Heute mal ein Kurzgruß.
Frauchen, Grund ist einmal der, daß ich heute
so viel Ärgerliches im Dienst erlebt habe und
Du doch gewiß keinen Wert darauf legst, damit be-
-helligt zu werden, zum anderen habe ich jetzt
eine medizinische Geselligkeit hinter mir, die mich
wegen der vielen Fachsimpelei ziemlich Gedanken
gemacht habe.
Drum will ich Dir heute weniger von meinen
Ergehen erzählen und irgendwelchen Problemen wälzen,
als mit meinen Gedanken vielmehr ganz bei
Dir zu sein und bei unserer Almute, um Ruhe
und Zufriedenheit wiederzufinden.
Vielleicht kommt jetzt auch gerade eines der
Päckel an und da wäre ja ein gewisser Aus-
-gleich da.
Im übrigen verstehe mich aber wegen der un-
-deutschen Geselligkeit nicht falsch. Es kam das
durch die schwer herzkranke Schwiegermutter meines
Quartierwirtes, der ich einen deutschen Arzt zugescjho-
-ben habe, übrigens einer, der noch heute auf
die Nachricht der Geburt seines ersten Kindes war-
-tete, aber schon 7 Wochen lang.
Bin ich dagegen nicht doch glücklich drann? Ich
glaube, ich wäre dann schier umgekommen vor
Sehnsucht. Na, so freue ich mich aber umso mehr.
Du hast mich doch so glücklich gemacht. Ich
gehe jetzt eigentlich dauernd strahlend umher und
wenn es Ärgernis gibt, wie heute, trifft es doch
nie dieses strahlende Innere. Und daran bist

Du "schuld":
Drum laß Dich auch ganz lieb umfassen, mit
Dir schmusen und Dich innig abküssen, so lange,
bis wir ganz eins sind. Ja, und dann?
dann schauen wir uns Almute an - und geben
Ihr auch ein Busserl!
        Mit recht herzlichen Grüßen, auch an
        die Eltern bin ich so
                                Dein Wolf

© Horst Decker





     




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