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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 25. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie auf dem Rückzug und in Ungarn angelangt. Dr. Schneider erfährt hier von der Geburt seines ersten Kindes, der Tochter Almute.


O.U. d. 25.XI.44

Mein liebes Frauchen!
Ganz traurig war ich heute schon. Seit dem 27./28.X.
keine Post. Mein Gott, was war bloß passiert! Ich wurde
schon allgemein bedauert, da kaum einer solange auf
Nachricht von zu Hause wartet.
Ja und dann kam plötzlich ein Telegramm ins
Haus geflattert. Die Almute ist da! Liebling, sei
bloß froh, daß Ihr so weit weg von hier seid.
Ich hätte mit Euch beiden , glaube ich, ein tollen
Zirkus gemacht vor lauter Freude. Das Frauchen
wohlauf, das Lütte gesund! Mein Gott, was soll
man vor Glück nur anfangen? Zunächst Frauchen
einen lieben, langen Dankeskuß. Er möge die Zeit
des beiderseitigen Wartens auf die Erfüllung unseres
sehnlichsten Wunsches beschließen. Einverstanden?
Ja, und nun zu unserer kleinen Familie. Der
frischgebackenen Mutti gebührt ja ein unerhört großer
Blumenstrauß, noch größer und schöner als der im
Dezmbr zu einem bewußten Tag. So gefällt er
Dir dann? Unsre Lütte da in den Windeln
ist aber, denke ich, noch viel lieber anzuschauen.
Vielleicht verschmerzt Du dann die von mir fehlen-
-den Blumen auch leichter.
Liebling, was habe ich doch nach der Nachricht
gleich gestrahlt. Eben war ich nämlich zu meinen
neuen Quartiersleuten gekommen, hatte mich bekannt
gemacht und die Freundschaft eines kleinen, blonden,
2-jährigen Buben zu erheischen versucht. Du kannst Dir
vorstellen, was ich vor lauter Übermut ob der
'Erfolgsnachricht' mit dem Burschen angestellt habe.
Ja, irgendwie muß man sich dann austoben können.

Also am 20.XI. ist das Telegramm von Mutti aufgegeben.
Gegen Morgen wird dann unser Sproß wohl angekommen
sein.
Kaum ist die eine Neugierde befriedigt, so gedeiht
schon die nächste. Wie mag das Würgel bloß aus-
sehen? Hat es ein nettes Stupsnäschen, ist es faltig
oder pummelig, ist es krebsrot, blaß, blond oder dun-
kelhaarig? Ja das will ich alles haargenau wissen!
Frauchen, kurzum, heute bin ich mal wieder von
Herzen froh. Es ist ja aber auch zum in die Luft
springen. Ein Mädchen, eine Almute! Wie schön ist
das für die kommenden Gören, wenn sie in das
Leben behutsam von einem Schwesterchen eingeführt
werden. Du denkst jetzt sicher, na, das ist wieder
typisch Mann, kaum ist man die Bürde des
Mutterwerdens los, da denken sie schon an das
nächste Kind. Aber diesmal hättest Du unrecht, denn
ich will und muß Dir doch sagen, wie sehr ich mich
über unser Mädelchen freu. Im Brief kann ich
Dir das doch nur mit Vernunftsgründen auseinander-
-setzen. Hätte ich Dich hier oder wäre ich bei Dir,
könnte das auch ganz unvernünftig und stürmisch
geschehen.
Wo ich das schreibe, kommt ein Vaterschaftsgratulant,
er bringt mir gleich noch 5 Briefe von Dir. So den-
-ken sie an mich, obwohl es schon auf Mitternacht
zugeht.
Frauchen, die Briefe werde ich mir jetzt im Bette
vornehmen und dann heute mal überglücklich
einschlafen.
Nun laßt Ihr zwei beide Euch ganz lieb anschauen,
und Du Frauchen laß Dich umarmen und Dir
viele innig und dankbare Busserl aufdrücken von
Deinem Schneider

© Horst Decker





     




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