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Brief nach der Ankunft in Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 13. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Wegen der immer näher rückenden sowjetischen Armee und einsetzender Partisanentätigkeit zieht sich die Truppe nun nach Ungarn zurück. Dr. Schneider beschreibt die Ankunft in Ungarn, nahe Budapest.


Unterwegs am 13.XI.44

Meine liebes, gutes Frauchen!
Den gestrigen, etwas verschnörkelten Brief konnte ich
im schönen Budapest an den Mann bringen.
Um Budapest haben wir uns ungefähr 7 Stunden
herumgedrückt. Ein Fliegeralarm löste den anderen ab, ein
Fahrbefehl den anderen. Wie durchgedreht man hier ist,
kannst Du begreifen, wenn ich Dir weiter erzähle, daß
wir bei Vollalarm langsam und behutsam (die Brücke
ist durch Bombardierung leicht angeknackst) über die
1 km lange Donaubrücke fuhren, ein nicht eben ganz
angenehmes Gefühl.
Es ging aber alles gut und glatt. Jetzt sind wir
ca. 15 km südlich von B. und harren der Dinge,
die da kommen werden. Einige wilden Gerüchte schwirren
natürlich auch durch die Gegend. Davon lassen wir
uns aber nicht irre machen. Auf der anderen, also
der Ostseite der Donau hört man Abschüsse schwerer
Artillerie. Kurzum, wir wissen in keiner Beziehung, was
kommt, ob Einsatz oder weitere Ausbildung und Auf-
füllung. Mit Pferden sieht es im Augenblick ja
noch nicht rosig aus. Das kann aber alles sehr
schnell eine Wandlung erfahren.
Das Ungarnvolk macht einen weniger guten Eindruck
als die Slowaken. Hier steht es schon mehr in
den Gesichtern geschrieben, daß der Krieg im Lande
ist und der Bolschewismus droht. Aber auch das
ganze Drum und Dran, Kleidung, Leben, Sauberkeit
und Haltung sind weniger erfreulich. Wo ist das
ungarische Temperament, wo die Farbenfreudigkeit und
Lebenskraft dieses Pustavolkes? fragt man sich.
Das Kriegsgeschehen ist vielleicht schon zu nahe
gegenüber der Slowakei, die ja wahrhaftig noch im
Frieden dahinzuleben scheint. Und dennoch, unsre
deutsche Grenz- oder besser Frontbevölkerung hat

ein anderes Aussehen.
Eins ist hier wieder ganz anders als im Westen.
Daß man nämlich starke deutsche Jagd- und
Kampffliegerverbände sieht. Es ist das für einen
bevorstehenden Einsatz auch etwas beruhigender, gerade
für pferdebespannte Einheiten.
Ja, Frauchen, so schnell ändert sich bei uns
Soldaten mitunter die Lage. Selbst, wenn man
darauf vorbereitet sein mußte u. ich auch Dich stets
auf dem Laufenden gehalten habe, so
birgt solche Veränderung allerlei Unvorhergesehenes
in sich. Frauchen, ich erzähle Dir das auch jetzt
alles, tu es aber nur, - nach langem Überlegen
- weil ich Dir mit Unklarheiten allenfalls doch
nur Sorgen mache. Wir haben uns seinerzeits
versprochen, uns nichts zu verheimlichen. Mach Dir
also keinerlei Sorgen, es wäre unbegründet. Du
erfährst schon alles von mir. Daneben wollen
wir uns aber darüber klar sein, daß unser
Stern uns in nicht allzu ferner Zeit bestimmt
wieder zusammenführen wird. Und daran glaube
ich ganz fest. Und Du? Sag ja, gib mir ein
paar Busserl und dann sind alle Sorgen vorbei.
Ich mache es in den Tagen Deinetwegen ebenso.
      Es ist 5h nachmittag und wir stehen auf einer
kleinen Station. Auf unserem kleinen Ofen schmoren
Kartoffeln, ca. 50km sollen es noch bis zum Ziel
sein. Das Radio spricht bald wird es wieder so-
-weit sein, daß man sich wegen der Dunkenheit
aufs Stroh packt.
Da kann man dann träumen, träumen von seinem
Frauchen und unserem Würgel. Liebling, laß Dich umar-
-men und innig liebkosen. Mit vielen lieben Küssen
und recht herzlich Grüßen bin ich so
          Dein Wolf

© Horst Decker





     




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