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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, 9. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Durch die Verlegung wird Dr. Schneider für einige Tage keine Feldpost empfangen können, gerade jetzt, wo seine Ehefrau jederzeit ihr erstes Kind gebären wird.


O.U. d. 9. XI.44

Meine liebe, gute Frau!
Es ist wahrhaftig so, wie ich Dir gestern schrieb. Bis
wir in den neuen Raum kommen. gibt es keine
Post mehr. Der Zustand, daß gerade in kritischen
und erwartungsvollen Tagen äußere Umstände all das
noch bis zur Siedehitze und die Ungerechtsheit noch
weiter zu steigern vermögen, ist nun bei uns ja fast
das Normale. Die Einkauferei hat ein Ende, das
Paketschicken und nun auch der geregelte Postverkehr.
4 Wochen früher oder später wäre es gut gewesen,
aber nein, es mußte gerade jetzt sein.
Nach alter 'Gewohnheit' (?) habe ich das also zur
Kenntnis genommen und hoffe trotz allem als 'Glück-
licher, der vergißt, was nun mal nicht zu ändern
ist', daß alles in Ordnung geht.
Morgen fahre ich erst nach dem berühmten Gutshof,
um eine zweite Abschiedsvisite nach der neuerlichen
Abfahrtsverschiebung zu starten. Wollen mal sehen,
vielleicht kann ich da noch einiges zum Weg-
-schicken ergattern. Viel versprechen kann ich mir
deswegen nicht, weil die Leutchen letzthin wegen
Sabotage lieber slowakischer Volksgenossen 30 Waggon
Stroh u.a. durch Anzünden verloren haben. Ja, hier
sind schon rauhere östliche Sitten, wie man sieht.
Es sind Slawen und diese Menschen haben ja
auch die bolschwistischen Methoden erfunden und
sind ihre Träger.
Nach all dem, was man jetzt hört und liest,
gibt es für uns tatsächlich nur eine Alternative
und die heißt aushalten bis zum letzten und
das heißt wiederum bis zum Sieg.
Mit vernünftigen Überlegungen kann man zum der-

-artigen Kriegsgeschehen keine Stellung mehr neh-
-men, all das ist unmenschlich.
Frauchen, wie schön ist es da, wenn man in
solcher Zeit eine werdende Mutter zu Hause weiß,
die tapfer all diesen widrigen Umständen zum Trotz
mit mir eine Familie aufbauen will und damit
auf ihre Art einen Kampf für Menschentum und
Menschenwürde ausficht. Darauf darf ich schon ein
bissel stolz sein und bin glücklich dazu.
Liebste Margot, wie mag es Dir jetzt gehen. Mit-
-unter stimmt es mich doch ein bissel traurig,
daß ich Dich jetzt gar nicht mal in schweren
Stunden bei der Hand nehmen kann, um Dir
ganz das Gefühl der Geborgenheit zu geben. Welch
Erleichterung würde das auch für mich bedeuten.
Selbst dann, wenn Du zum Liegen gekommen
bist, kann ich nicht bei Dir sitzen. Dich mit
ein paar Blumen erfreuen und mit Dir zusam-
-men unser erstes Kindlein begutachten und bewun-
dern. Ich glaube, es wären das für uns beide
unvergeßliche und überaus glückliche Stunden.
Sie können wir jetzt nur in Gedanken mit
einer unheimlichen Sehnsucht nach dem Geliebten
durchleben und müssen damit zufrieden sein. Wohl
hoffen wir, daß es ja nicht das letztemal ist, wo
wir ein Würgel erwarten, da hast Du recht. Aber
es bleibt halt das erste. Frauchen, ist's da sehr
schlimm, wenn es da Deinem Mann dabei weh zu
Mute ist? Es ist das ja niemals aus einer dum-
-men Wehleidigkeit heraus gesagt. Nein, Frauchen, Du
sollst mich und wirst mich damit aber begreifen,
für wie wichtig und bedeutsam ich das in unserem
Leben halte.
Drum laß Dir ganz leise über Deine Haare streichen,
Dir ruhig und glücklich in die Augen schauen und
Dir dann eine Vielzahl inniger und verliebter
Küsse aufdrücken.
Herzlichste Grüße
Dein Wolf
          Dein Wolf

© Horst Decker





     




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