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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, 7. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Zu Hause steht die Geburt des Kindes bevor, für die Dr.Schneider alles Gute wünscht.


O.U. d. 7. XI.44
am frühen Morgen

liebstes Frauchen!
Heute muß ich mich wieder so wie vor einigen
Tagen entschuldigen. Hundemüde vom Herumlaufen
bin ich gestern abend gleich ins Bett gestiegen,
hatte dabei jedoch ein reines Gewissen, weil ich
Dir gestern ein Päckel mit einigen Zeilen zurecht-
-gemacht hatte.
In dem Paket sind nur überflüssige Dinge
von mir drin, die zum Mitnehmen nur Ballast
bedeuten und zum Wegwerfen zu schade ge-
-wesen wären. Du wirst damit schon einiges
anzufangen wissen.
Gestern also am Vormittag habe ich meine
ganzen Klamotten durchsucht und mal richtig
Kehraus gemacht. Der Papierkrieg war recht bald
voll und man staunt nur immer wieder, was
sich alles im Laufe der Zeit ansammelt.
Danach bin ich zu Patienten gerufen worden,
am Nachmittag war wieder mal Pferdemusterung,
abends Offiziersbesprechung.
Doch jetzt zu anderen Dingen.
Da ist zunächst die Änderung unserer Feld-
-postnummer. Ich habe jetzt also FNr.
           66043/A
Wie lange ist allerdings auch noch eine Frage,
weil ich ja kaum annehme, noch ewig bei
der Abteilung bleiben zu können.
Frauchen, dann noch zu einigen Punkten Deines
Briefes. Du bittest mich wegen der Fliegertätigkeit
für Dich ein bissel den Daumen zu halten. Das

ist aber viel zu wenig. Halte ich doch stets
den Dauen, daß meine liebe Frau geringstmögliche
Kümmernisse und Beschwerden hat. Darin ist das
doch längst mit eingeschlossen. Wenn Dich dieser
Brief erreicht, wird die Geburtsstunde unseres ersten
Sprosses ja nicht mehr weit sein. Frauchen, dafür
laß mich Dir noch mal meine besten Wünsche
und alles Gute sagen. In Gedanken will ich
dann bei Dir sein, Dir die Hand drücken
und damit vielleicht manche Minute
lindern helfen. Sind die dann vorbei kriegst
Du schnell ein Busserl aufgedrückt. Na und
ist das Lütte da, dann sieht sich für Dich
diese Welt auch wieder etwas anders an. Eine
Stufe höher sind wir dann angekommen und
auch für die Außenstehenden ist dann ganz
deutlich ein Stückel Glück im Hause Schneider
eingezogen. Wir haben das allerdings schon im-
-mer zu unserm Teil gekannt.
Frauchen, die Blumengrüße von Dir machen mir
stets viel Freude. Ich muß doch mal wieder ver-
-suchen, etwas Farbiges nach meiner Facon Dir zu-
-kommen zu lassen.
Die Päckchenmarken habe ich nur unter der Be-
-dingung geschickt, daß Ihr sie zum Schicken
von Dingen benutzt, die zu Beschaffen Euch keine
Sorgen bereitet. Sonst gibts kein Dankeschön, sondern
eine Schimpfkanonade auf meiner Seite.
Leider macht das Päckchenschicken auch bei mir jetzt
allerhand Schwierigkeiten wegen der Einschränkungen für
das Aufgeben.
Na, für heute morgen habe ich genug geplaudert,
muß ich doch noch Stoff für heute abend behalten.
In einem sind wir aber auch morgens nie sparsam ge-
-wesen, das war, wenn ich Dich, wie jetzt umarmen will, Dich
innig liebkose und Dir viele liebe Küsse aufdrücke
als
          Dein Wolf

© Horst Decker





     




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