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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 5. November 1944, Bericht über Geländeritt

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Dr. Schneider reitet zur Pferdeversorgung zu einer entfernt liegenden Batterie-Stellung.


O.U. d. 5. XI.44

Liebes Frauchen!

Gestern mittag habe ich schon ein kleines
Päckel mit einem ebenso kleinen oder
kurzen Brief an Dich losgelassen. Drum
habe ich auch kein schlechtes Gewissen
gehabt, als ich gestern abend etwas
frühzeitig im Bett gelegen habe, ohne Dir
den Tagesbrief zu schreiben.
Nun, heute am Sonntagmorgen will ich
das schnell nachholen.
Der gestrige Sonnabend war wieder mal -
offenbar sind das immer die Tage und
Stunden, wo andere Leute auch mal an
sich denken können - Papierkriegtag. Ich
war drum in meiner Einstellung zum
Kommiß und seiner Umständlichkeit auf
der Palme, das kannst Du Dir vorstellen.
Einzelheiten davon zu berichten, erübrigt sich

Dafür war dann umso schöner, mir
kurz vor Dunkelwerden den Peter satteln
zu lassen und noch eine entlegene Bat-
-terie, die schon tagelang nach einem
Veterinär verlangt hatte, aufzusuchen und
zu verarzten.
Auf Feldwegen schlängelte ich mich dorthin,
streckenweise direkt an der ungarischen
Grenze. Die Grenzposten machten Augen, als
sie mich einsamen Reiter und dazu
noch einen Offizier durch die Gegend
traben sahen.
Langsam ist es auch hier Herbst gewor-
-den. Die Felder sind abgeerntet und
schon wieder gepflügt. In den dürren Mais-
-feldern, die ihre Maiskolben ja auch schon
losgeworden sind, da ist jetzt Familie
Lampe groß. Reitet man mal ein
Stück durch diese noch stehengebliebenen
Stauden, dann springen die Hasen zu

Haufen vor einem weg. Ähnlich ist's in
den Gebüschen und Remisen mit den
Fasanen. Also wildreich ist die Ecke hier
unten unheimlich. Ein Hasen- oder Fasanen-
braten ist drumm garnichts besonderes.
Als ich gestern durch einen kleinen Wald
ritt, kamen mir halt doch wieder Erinnerungen
an die Dembar Zeit. Weißt Du noch,
wie wir da mit der Kutsche in freien
Stunden und Tagen draußen herumgefah-
-ren sind, uns verstohlen - damit der
Kutscher es nicht merkte - abbusselten und
doch recht glücklich waren. Heute sind wir
noch um ein vielfaches glücklicher, also, so-
-rum sollte das nicht auch gleich mal
ein Grund sein, eine ordentliche Portion
Küsse in die Zeilen einzuflechten?
Bei der Einheit nun kam ich bei Dun-
-kelheit an, konnte die Patienten aber auch
bei Lampenlicht ganz gut versorgen. Bei

einem mußte ich das Todesurteil ausspre-
-chen, es war ein schon seit Wochen
krankes Hufrehrpferd.
Der Rückweg ging auf anderen Feldwegen
entlang, die recht schwierig zu finden waren.
Ein Segen war dabei, daß es nicht gar
zu finster war. Da das Pferd den Weg
nicht kannte, mußte ich doppelt auf
der Wacht sein. Denn der gute Peter wollte
halt immer umkehren. Ansonsten hat er
mich aber gut und schnell auf den
unheimlich dreckigen Feldwegen vorwärts ge-
-bracht. All das genügte aber, daß ich
bei meiner Rückkehr nach Sered hunde-
-müde war, schnell mein Abendbrot verdrückte
und in die Falle verschwand.
In Gedanken bei meinem Frauchen schlief ich
ein, wie ich vor kurzem auch wieder aufwachte.
Frauchen, ich halte Dich fest umarmt, liebkose
und küsse Dich ganz innig und mit den
herzlichsten Grüßen, auch an die Eltern, bin ich

          Dein Schneider

© Horst Decker





     




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