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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 30. Oktober 1944, Beschreibung der Ehe, Verlegung der Truppe weiter nach Osten

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo sich die Truppe in Sered eingerichtet hat.
Dr. Schneider erklärt seiner Ehefrau seine Liebe zu ihr und vergleicht ihr Verhältnis mit der Ehe des ortsansässigen Veterinärs. Seine Truppe wird in Kürze weiter nach Osten ins Neutra-Tal verlegt.


O.U. d. 30. X.44

Liebste Margot!
Wieder habe ich vergeblich gewartet.
Heute kam nun überhaupt keine Post.
D.h. es konnte auch somit nicht viel
was anderes als Deine lieben Briefe. Aber
daran bin ich wohl selbst schuld und bin
dadurch nicht etwa weniger glücklich. Man
schreibt ja kaum noch an jemand an-
-deren, als an seine liebe Frau. Wem
auch!
Heute Vormittag, nach der üblichen 'Visite'
bin ich ein wenig in unserem Städt-
-chen herumgepilgert und stand so auch
plötzlich vor einem Papierladen. Das Ergeb-
-nis siehst Du vor Dir. Wie steht das
eigentlich bei Dir mit Briefpapier? Soll
ich da mal etwas schicken?

Zum Mittagessen war ich beim Kollegen
eingeladen, der heute sei 10-jähriges
Ehejubiläum 'feiert'. Die Gänsefüßchen
setze ich deswegen, weil ich mir dabei
wie ein Schlichter des auch vor mir nicht
verheimlichten Ehestreites war. Ja, Frauchen.
da kann man seine Studien machen,
vergleichen läßt sich da garnichts. Denn
unsere Ehe wird ganz, ganz anders
sein und ist es ja doch schon längst.
Weißt Du, in solchen Situationen sieht
man besonders klar, was man eigentlich
an seinem Ehegemahl hat.
Sie streiten und verachten sich und
wir? wir sehnen uns zu einander und
achten uns stets. Nein, danach ist
die Zeit der Prüfungen und des Aufein-
-anderwartens wahrhaftig als ein ...,
als ein Glück zu werten. Und demnach

möchte ich heute fast glauben, wir
wären auch so glücklich miteinander.
Ich sage das nur, um Dir versichern zu
können, daß ich Dich - wie Du mich - schon
damals am 26. Juni als meinen kom-
-menden Lebensinhalt betrachtet habe.
Heute sind wir uns das auch nach
außen hin und haben bald unser
erstes Kind als Unterpfand. Wir hatten
es uns seiner Zeit leichter gedacht. Dafür
sehen wir heute aber klarer und man-
-che noch vorhandene Hemmung , manch
kleiner Zweifel ist für immer verschwunden.
Und es wird die Zeit kommen, wo wir
unser schon jetzt so großes Glück gemein-
-sam als gute Kameraden mit unsern
Kindern weiterbauen werden. Das ist heute
meine und, ich weiß, auch Deine große
Sehnsucht.
So, nun aber schnell das 'in-der-Mitte-Bussel',
denn eben geht ja schon wieder die
letzte Seite an.
Unsere schönen Quartiere werden wir in
Bälde verlassen müssen. Dann geht's
etwas weiter nach Osten. Landschaftlich
wird es dort reizvoller (Neutra-Tal),
fließend Wasser u. Dampfheizung wird es
da kaum geben. Aber auch dort
wird es gute Seiten haben.
Frauchen, Du kannst Dir vorstellen, daß
ich jetzt auf Nachrichten von Dir brenne.
Sorgen sollst Du Dir - wie Du es mal in
einen Brief tust - aber wegen der schlech-
-ten Postzustellung für mich keineswegs. Das
wäre noch schöner, wo Du nicht weniger an
mich schreibst als ich es tue. Hast nun
mal so einen nörgligen Mann, der aus
seinem besorgten Herzen keine Mördergrube
macht. Ich habe Dich eben zu -, nein!,
niemals! eben so lieb.
Laß Dich umarmen, Dich küssen und eins
mit Dir sein. In herzlichen Gedanken
grüßt Dich u. das Würgel     Dein Schneider

© Horst Decker





     




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