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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 29. Oktober 1944, Tagesablauf als Veterinär, Mangel an Pferdefutter

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo sich die Truppe in Sered eingerichtet hat.
Dr. Schneider erklärt, in der slowakischen Bevölkerung Sereds sehr bekannt zu sein. Er bedauert den Mangel an Pferdefutter, auf Grund dessen sein Pferd sehr abgemagert ist, während er selbst zunimmt.


O.U. d. 29. X.44

Mein liebes, gutes Frauchen!
Nun ist der Sonntag bald vorüber, ohne daß ich Post von
Dir bekam, die ich mir im Stillen erhofft hatte.
Lediglich Werner schrieb aus Potsdam und erwähnte in
seinem Brief ein Schreiben von Dir, über das er sich riesig
gefreut habe und nur bedaure, Dich nicht be-
schnuppert (das schreibe ich!) zu haben.
Na, einmal wird auch das werden, denke ich. Allerdings
muß er dann gleich klein-Schneider mitbeurteilen. Ich
möchte annehmen, daß das sein Urteil über die neue
Schwägerin etwas mildern wird. Au! ... Brauchst mich
daraufhin doch nicht gleich zu zwicken, wo ich mir für
die Zurücknahme der Behauptung doch nur ein paar
Küsse von meinem Frauchen erkaufen wollte. Wenn Du
die mir aber auch so immer geben willst, nur gut,
dann will ich nichts gesagt haben.
Frühzeitig habe ich mich heute morgen auf mein Roß
'Peter' geschwungen und habe die Batterie abgeritten. Das
gute Tier tritt nur gar nicht in die Fußstapfen seines
Herren d.h. es wird nicht runder wie dieser, sondern zuneh-
-mend magerer. Ich werde wohl doch einmal Futter organisieren
müssen, denn hier in der 'Großstadt' Sered kann ich mich
als nunmehr schon bekannter 'Veterinär-Arzt' nicht auf
solch Gerippe sehen lassen.
Zu tun gab's bei den Einheiten nicht viel. Fleischbe-
-schau, so hieß die sonstige Parole.
Am Nachmittag kam dann die Fortsetzung von gestern, .d.h.

blödsinniger Papierkrieg. Anrufe, Warten auf solche und
Fehler anderer bereinigen, das war so meine Sonntagsnach-
-mittagsbeschäftigung, an sich wenig erfreulich.
Kurze Zeit zwischendurch hat es mir mal ein bissel Litera-
-turgeschichte angetan, in meinem 'pferdeledernen' Büchel (weißt
Du, es ist noch von dem Leder aus der Försterei Geislers) habe
ich ein wenig geblättert.
Im ganzen war es ein recht fader Sonntag.
Und dennoch ist's mal ganz gut, wenn man sich
in Ruhe und Muße zwingt, denn anders wäre man
dauernd auf den Gütern unterwegs. Hätte ich doch noch so
viel Zerstreuungsmöglichkeiten durch Schmökern von Fachliteratur
und andere Dinge, die ich für mich selbst betreiben kann (an
das Kapitel Zeichnen möchte ich schon fast gar nicht mehr
rühren).
Es fehlt eben nur ein Gruß von Dir, obwohl ich
Dich ja immer in Gedanken mit mir verbunden weiß.
Es ist aber auch toll, Dein lezter Brief ist vom 17., Werners
vom 25.X. . Daß sich das garnicht mal einlaufen will.
Ob Du mein Päckel schon bekommen hast? Hoffentlich!
Dumm, daß man von hier aus nicht genau wie im vorigen
Jahr noch auf Kurzurlaub fahren kann. Dann könnte
man schon dir mal etwas zusätzliches Fett u.a. hinüber-
schmuggeln. Dir täte das jetzt und später gut.
Frauchen, nun laßt Ihr zwei Euch von Eurem Vati mal
ganz lieb und sachte drücken. Dir selbst gebe ich dann
eine Unzahl inniger und verliebter Küse und bin mit
den herzlichsten Grüßen, auch an die Eltern
       Dein Wolf

© Horst Decker





     




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