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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 23. Oktober 1944, Tagesablauf als Veterinär, die Geburt des Kindes steht bevor

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt wird. Dr. Schneider hilft dem örtlichen Tierarzt bei Impfungen bei Bauern. Die Geburt seines Kindes, auf die er sich freut, steht in 3-4 Wochen an.



O.U. d. 23. X.44

Meine liebe Margot!
Ein Parfüm besonderer Art umgibt mich jetzt beim
Schreiben dieser Zeilen.
War ich doch heute Nachmittag mit dem Tierarzt
auf Praxis und da war Schweinebehandlung bzw. - Im-
pfung groß geschrieben. Na, und diese Ställe haben es
nun mal an sich, ihren Gestank freigibig an alle Besucher
abzugeben. Kurzum, es riecht momentan in meiner
Bude recht lieblich.
Nach dem gestrigen Fest war heute der ganze
Haufen etwas ruhiger und man teilte sich die
Arbeit gründlich ein. Manch einer mag wohl auch etwas
eingehender darüber nachgedacht haben.
Frauchen, mich hält es aber gar nicht drinnen und
daher bin ich halt mit auf die Dörfer gegangen.
Zuerst ein kranker Ochse, dann Schweinepest und
endlich Rotlauf d.h. dort haben wir Massenimpfungen
gemacht. Durch meine Handfertigkeit habe ich hier
bei den Leuten immer schnell gewonnen und so
könnte ich tagtäglich zu einem Mahle slowakischer
Art eingeladen sein. Aus lauter Eitelkeit (?!)
lasse ich das aber lieber. zudem sind wir hier
nicht zum Essen, sondern zum Arbeiten hergekommen.
In der Tierarztfamilie wurde übrigens nach dem
gleichen Motto allerhand auf den Tisch gestellt.
Heute war aber Fastentag, der Knabe konnte nur ein

Weißkäsebrote und eine Tasse Milch verdrücken.
Für den Nachmittag war eine Reitjagd angesagt,
ich glaube, ich schrieb schon davon. Zumindest habe ich
Dir von der vorigen und vorvorigen geschrieben. Sie fielen
wegen Regenwetters ins Wasser. Heute war es das Gleiche.
Es ist halt wie verhext.
Vielleicht war das aber ganz gut so. Wer weiß, ob
man heute die notwendige Courage gehabt hätte.
Frauchen, ein Bild von mir mit dem Rappen lege
ich bei, es wurde von der Frau Kaminski geknipst
und ist ganz nett geworden (Das Bild natürlich nur!).
Frauchen und wie geht es Dir? Quält Dich Klein-
Schneider noch immer oder ist es nach der Senkung
und damit ...rtung das Leben erträglicher? Ich
will es nur hoffen. In 3-4 Wochen bist Du
Mutter und ich Vater geworden. Man kann es noch gar
nicht begreifen und freut sich dennoch so unbändig
darauf.
Ja, ja, dann sind wir nicht mehr allein und meine
Grüße und Küsse am Briefende schließen dann immer
noch einen Würgel als selbständiges kleines Wesen ein.
Bist Du dann womöglich eifersüchtig? Nein, niemals,
denn Vaterliebe zu den Kindern und die unendliche Liebe
zu meinem Frauchen, die stoßen sich gewiß nicht.
Heute, Frauchen, komm zu mir, schau mich fröhlich an
und sei mit innigen Umarmungen herzlichst gegrüßt und
geküßt von
          Deinem Wolf

© Horst Decker





     




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