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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 14. Oktober 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll.
Das Leben scheint sehr angenehm zu sein und Dr. Schneider ist von Einheimischen zu einer Hasenjagd mit anschließendem Festessen eingeladen.


O.U. d. 14.X.44
(gestern vordatiert)

Liebste Margot!
Heute war ein besonderer Tag inso-
fern, als ich mich erstmalig als Jäger
betätigte. 3 Mann - 4 Hasen, ein
an sich trauriges Erghebnis. Ich aber habe
wenigstens einen davon geschossen und
so für das Kasino wenigstens etwas
getan.
Am frühen Morgen kam schon der
slowakische Tierarzt und wollte mich
abholen, obwohl ich noch garnichts genau-
er erfahren hatte. Nun, ich zog mich
in aller Ruhe an und mußte mich
noch um eine Flinte kümmern. All das
nahm Zeit in Anspruch und verhältnis-
-mäßig spät kamen wir erst zur
Jagd. Zu allem Unglück hatte ich
dann noch ein falsches Kaliber, wozu
keine Munition da war. Als Ersatz
bekam ich dann eine uralte Flinte,
die zwar schoß, aber ich wußte nicht,

ob dahin, wohin ich es wollte.
Eines darf ich aber hinterher sagen,
es war ein gesunder und schöner Spazier-
gang über die Felder. Zwar waren über
uns die längste Zeit amerikanische
Bomberverbände, das hat uns aber
wenig gekümmert.
Abschluß der Jagd war ein Stelldich-
ein bei den gleichen Leuten, wie
gestern abend. Frauchen, zuerst einen
Kuß und dann will ich Dir erzählen,
was es gab. Also zunächst eine Geflügel-
lebersuppe und danach Ente mit
einer wunderbaren Sauce und Krüstchen.
Läuft Dir da die 'Spucke' im
Munde zusammen?
Liebling, dann kriegst Du schnell
ein Busserl von mir und laß Dir
dazu obendrein sagen, daß mir das be-
deutend besser schmeckt als all
die schönen Sachen bei den Guts-
leuten.
Hinterher konnte es sich nämlich der
gute Herr Kaminsky nicht verkneifen

noch bei einem guten Bekannten,
einem Weinbauern aus dem Nachbar-
-dorf, einzukehren.
Ich war dort Zeuge eines größeren Fami-
-lienglücks d.h. während unserer Anwesen-
heit kam gerade der Sohn von
einer beschwerlichen Reise zurück. Frau,
Kinder und Eltern hingen ihm bei
seinem Erscheinen am Hals und das
mit einem Temperament, daß man
seine helle Freunde daran haben
konnte.
Ja, Frauchen, und eben bekomme
ich Post von 'zu Hause' d.h. aus
Frankfurt. Ich sage das bewußt, wo
ich heute einen Brief von Vati
in der Hand halte. Es ist schon
so, daß ich da in der Kloster-
-hofstraße meine Heimat gefunden
habe, meine liebe, gute Frau und
ein Paar Eltern, die vollends mit
mir harmonisieren und für unsere un-
-endliche Liebe Verständnis haben.

Ich werden den Eltern bei Gelegen-
-heit wieder mal schreiben, aber
Du kannst Ihnen schon heute
meinen Dank für Ihr Gedenken sagen.
Was Du Ihnen dann noch sagst,
bleibt Dir überlassen. Es wird schon das
Richtige sein, da Du ja doch stets in
meinem Namen sprichst.
Dein Wunsch wegen der Strickveste wird
erledigt. Ich hoffe nur, daß Dich
alles wohlbehalten erreicht. Siehst Du,
so habe ich mir mein Frauchen ge-
-wünscht, ja nichts hinter dem Berge
halten, denn von hier aus kann
man nun halt nicht wissen, wo
überall der Schuh drückt.
Für heute genug, morgen gehe ich
noch etwas näher auf Deine lieben
Briefe ein. Sei gewiß, daß es keinen
Menschen auf dieser Erde gibt, der Dich
lieber haben kann ehrlich. Ist das
überheblich? Nein, niemals! Es ist so!
drum laß Dich umarmen, innig lieb-
kosen, ganz lieb küssen u. grüßen von
Deinem Wolf


© Horst Decker