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Postkarte von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 11. Oktober 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll.
Die Geburt des ersten kindes steht bevor. Die Versorgung mit Uniformen ist schlecht und Dr. Schneider schämt sich gegenüber der gut gekleideten Zivilbevölkerung in Sered.


O.U. d. 11. 10.44

Liebste Margot!
Heute halte ich 3 Briefe von Dir
in der Hand, einfach fabelhaft. Du
könntest jetzt einen glückseligen Mann
in Sered in seiner Klause sehen, wie
er dankbar an sein Frauchen denkt.
Beruhigt hat mich die Nachricht von
der zufriedenstellenden Untrnehmung. Liegt
mir doch jetzt am meisten am Herzen,
daß alles glatt geht. Warum Dir der
Herr 'Doktor' gleich wieder Angst wegen
eines Dammrißes bei Vorderendlage machen
muß, verstehe ich nicht recht. Das ergibt
sich dann schon in der Klinik (!!) beizei-
-ten. Im übrigen will ich Dich da
schon vorher unter ärztlicher Aufsicht wis-
-sen. Ich glaube, Du wirst mir in dieser
Beziehung nicht noch mehr Sorgen machen
und mich da enttäuschen. Du kannst
dann auch ruhiger und unbekümmerter
die letzten schweren Wochen hinter Dich
bringen.

Liebling, wenn Du von klein-Schneider
erzählst, von den Hoffnungen (?) Vatis
und der lieben Hilfe Muttis bin ich
immer von Herzen froh. Liegt darin
doch einmal unser erregenstes Glück, dann
aber auch das Erlebnis der Familie,
was nun hier so oft fehlt, ganz und
gar eingeschlossen.
Daß unser Sprößling zunächst versorgt
ist, wie Du schreibst, ist ja großartig u.
so können wir rückschauend auf die
alten deswegen vorhandenen Sorgen etwas
pfeifen. Wollen hoffen, daß es mit allen
anderen später mal ebenso geht.
Da fällt mir ein, Du hast da wieder
in 'Zorn' von dem Geld geschrieben, Du
hättest es jetzt nicht nötig. Frauchen,
muß ich da erst wieder mit dem
Finger drohen? Muß ich da wirklich erst
fragen, ob Fräulein Kretschmer oder Frau
Schneider die Empfängerin ist? Frauchen,
daß Dir die Eltern viel zugute kommen
lassen wollen, das verstehe ich nur zu gut,

aber Du mußt das ab und zu mal
stoppen. Tu es mir zuliebe, bitte!
Übrigens, in der Tilner-Angelegenheit weiß
ich heute wahrhaftig nicht mehr zu sagen,
ob ich bezahlt habe oder nicht. Margot,
ich glaube beinahe, nein. Hatte ich nicht
wegen noch zu erwartender Rchnungen
mehr Geld zurückgelassen? Die 15,- RM
bezahle also ruhig, selbst auf die Gefahr
hin, es ist schon bezahlt. Mit dem
Doppelt - wieder - abknöpfen hast Du durchaus
recht.
Ist von dem guten(?) Mann eigentlich
der 2. Zähler angebracht worden?
Hast Du schon mal was wegen ev. Instru-
-menten u. Medikamenteneinkäufe unter-
nommen? Die nächsten Wochen laß
das nur.
Ich habe hier jetzt nur einen kleinen
Kummer mit den Klamotten. Der Mantel
ist in Betsche und Uniformsstücke sind
hier einfach nicht aufzutreiben. Es ist
schon zum Erbarmen, wie wir hier herum-
-laufen müssen. Man schämt sich tat-

-sächlich schon, großen Besuch und ähnliches
zu machen, vor allem, weil das slowakische
Volk völlig friedensmäßig lebt und ein-
-gekleidet ist.
Heute war hier großer Pferdeappelltag
mit viel Arbeit. Besonders erwähnenswert
war dabei allerdings nichts.
Am meisten Freude hat mir jetzt
halt das Lesen Deiner Briefe gemacht.
'Die Familien-Regiments-Führerin' läßt
sich ja schon ganz gut an und Deine
hohe Meinung von meinen fachlichen
Minderwertigkeitskomplexen hat allerhand
Eindruck gemacht. Doch frage ich zurück:
Ist's wirklich so schlimm? Und wenn's so
wäre, kann ich Dir auch bloß versichern,
daß Du Dich in deinem Leben auch
mit diesem einen Trottel abfinden mußt.
Bist Du halt jetzt zufrieden, wenn sich
dieses Individuum an Dich herandrück,
sich dann aber mit plötzlicher, fürchterlich
verliebter Vehemenz seine liebe Margot greift
(fein behutsam z.Z. versteht sich) und Ihr dann
mit innigen Liebkosungen viele, viele Küsse
aufdrückt? Viele herzlichen Grüße, auch an die
so besorgte Mutti und den treusorgenden Vati
Dein Schnuck


© Horst Decker