profilm.de Zeitzeugenberichte Balkanfront

Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 24. September 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll. Er berichtet von einem Putsch und Seitenwechsel eines Teils der slowkischen Armee und von Partisanentätigkeit.

O.U. d. 24. 9.44

Meine liebe gute Margot!
Sonntag in Sered!
Ich stand zur gleichen Stunde wie immer, also gegen 7h,
auf und schaute heute in einen sonnigen Himmel.
Obwohl noch nicht wieder zufrieden seit dem gestrigen Tag,
schuf ich mir selbst einige erfreuliche Stunden. Ich bestellte
mir drum ein Reitpferd und stolperte - das war dem reinen
Genuß zuwider - einige Batterien ab, gab Anweisungen zum Behan-
deln von Pferden und erledigte nebenher noch etwas Papier-
krieg.
Dabei ritt ich auf dem Waag-Damm entlang, galoppierte
mal ein Stück, fing mich wieder und freute mich über
das schöne und reiche Fleckchen Erde. Dabei ist hier
aber alles recht nervös. Erwartet man doch wieder Sabotageakte,
Fallschirmabsprünge 'en masse' und Terroristenüberfälle. Inwieweit
das wirklich so ist, ist schwer zu sagen.
Bei der jetzigen Lage ist natürlich alles möglich.
Über das, was hier in der Slowakei geschehen ist, habe ich
eigentlich bisher noch nichts erfahren. Ich weiß nicht, ob es
Euch bekannt ist, daß der größte Teil der slowakischen Armee
und der Polizei geputscht hat und in der mittleren Slowakei
eine neue Regierung gebildet hat, die Wehrmacht darauf-
hin einmarschiert ist und sich heute auch in der Slo-
wakei herumschlägt und wegen des für Partisanen sehr günstigen
Geländes natürlich nur verhältnismäßig langsam Fortschritte
macht.
Slowakisches Heer und Heimatgarde hat also einen Großteil
des deutschen Vertrauens einbüßen müssen, auch wenn es nur die

schon genug bekannten 'Einzelgänger' waren. Dabei sind 2 Richtun-
gen antreibend gewesen. Einmal der Bolschewismus, zum anderen
die Reaktion bzw. Tschechen, die eine alte Tschechoslowakei
herstellen wollten.
Ja, Frauchen, so steht es um unsere Bundesgenossen und
man kann sich des Vergleiches mit den Eimemenschen nicht
entziehen, wo man stets verlassen ist, wenn man sich auf an-
dere zu verlassen beginnt.
Haben wir danach aber nicht uns und unsere Reserven
überschätzt? Diese bange Frage müssen wir freilich mit Gläu-
bigkeit beantworten, ein aber bleibt jedoch noch übrig. Und
dann ist's eben noch immer eine bange Frage.
Frauchen, wenn ich in meiner kleinen, eigenen Kulturgeschichte
blättere, wenn ich die vielen, netten Möglichkeiten zu besseren
Gestaltung eines Erdenlebens und mir Dich als Begleiterin vor-
stelle, dann kann man einfach nicht einsehen, weshalb
ein unerbitterliches Geschick das alles uns versagen soll. Geht Dir
das nicht ebenso?
Das Vertrauen zum deutschen Heer in seiner jetzigen Stärke
und Schlagkraft ist hin, von höchster Stelle selbst zugegeben.
Neue Waffen sollen es schaffen. Für die Soldaten-Moral
ist das gerade kein Kompliment, es ist aber wahr. Nur
sind die Anordnungen leider auch schon entsprechend,
denn die Haltung des deutschen Soldaten ist nicht mehr
die des beherrschenden Landsers von 1939-1942. Danach
ist es höchste Eisenbahn, daß etwas geschieht. Na, und
für die Heimat wäre es auch an der Zeit, daß dieser
ewige Alpdruck endlich einmal aufhörte.
Diese ewigen Luftalarme, unter denen Du nun auch wieder

zu leiden hast, sind für mich, der ich hier allerdings
relativ ruhig lebe, alles andere als beruhigend.
Frauchen, wenn ich nicht den festen Glauben hätte
wie Du, daß zwischen uns doch alles gut gehen muß,
man könnte heuer schon einmal den Mut verlieren.
So bist Du aber mein ganzer Halt hier draußen
und das ist wohl das größte Glück.
Ja und dann habe ich heute das Pferdebuch zu lesen
begonnen. Der Anfang geht recht unsanft mit uns
'Vieh-Doktoren' um. Es ist, glaub ich, aber nicht so böse
gemeint. Zum Bereuen, auch einen 'Vieh-Doktor' zum Mann
genommen zu haben, ist's nun jedenfalls zu spät.
Geschrieben ist das Buch trotzdem sehr nett und frisch.
Dieser Tru wäre der Richtige zu einer friedlichen, wenn
auch nun sicher lebendigeren Lebensführung als der derzeitigen.

Morgen habe ich vor, ein paar Hengste zu kastrieren. Halte
mir den Daumen, daß alles klappt, denn der gute
Kollege beabsichtigt, dabei Zuschauer zu spielen. Das geht
nach Jaroshauer Muster im Stehen vor sich.
Herr Gott!, wenn man da doch endlich wieder mal unter
zivilen und damit erfolgreicheren Aspekten arbeiten könnte.
Man ist dieses extensive Dasein so satt. Ja, das ist
bestimmend für meine ganz private 'Kriegsmüdigkeit'.

Frauchen, schnell einen Kuß nach dem Gefasel!
Brauchst keine Angst zu haben, daß ich mich irgend-
wie aufgebe oder defätistischen Gedankengängen huldige.
Wenn es den Anschein hatte, dann mag das daher rühren,

daß man sich schweren Herzens von einigen Illusionen
trennen muß.
Frauchen, das soll jetzt aber gar nicht mehr interessieren.
Das mußte ich mir aber mal von der Seele schreiben.
Frauchen, viel wichtiger wäre mir jetzt Post von Dir;
wissen möchte ich, wo Du steckst und was nun mit den
Eltern über die nächste Zukunft und Deinem Verbleib
besprochen worden ist. All das bedrückt mich jetzt zusätz-
lich und da wäre es schon schön, wenn die Post ein-
mal ein Einsehen hätte. Also heißt es weiter warten,
das ist nun schon zu lange die Parole.

Liebling, Du bist doch mein Alles, jeden Tag rückst
Du mir näher und es ist einfach unmöglich, eine
Zukunft ohne Dich zu leben. Frauchen, laß Dich ewig
umarmen, mich in Dir vergessen, Dich lieb küssen und
recht herzlich grüßen von
Deinem Wolf

© Horst Decker