Postkarte aus Frankreich an Eltern in Frankfurt/Main, geschrieben 19. August 1944

Dr. Schneider befindet sich - ev. nach einem Heimaturlaub - auf der Fahrt zu seinem Truppenteil in der Region Calvados. Abrückende deutsche Verwaltungseinheiten strömen ihm entgegen und behindern sein Fortkommen.

Unterwegs im Westen
19. 8.44

Liebe Eltern!
Meine Reise gestaltet sich in einer Weise wild-
romantisch und erlebnisreich, wie ich es mir nie
habe träumen lassen. Man spürt förmlich jeden
Kilometer, den man hinter sich gebracht hat,
so langsam geht es. Noch nicht mal bis
zur Hälfte meiner Strecke bin ich per Bahn
gekommen, da hieß es schon trampen und was
das heißt, wenn alles eine andere Richtung
hat, könnt Ihr Euch sicherlich denken.
Nein, das kann man nicht! Schachmatt
bin ich halt jetzt in einem Soldatenheim ge-

landet und hoffe auf
"Anschluß". Stimmungsbaromet-
er: traurig - aber nicht
ganz hoffnungslos.
Denke ich an Margot und
Euch, ist's aber gleich wie-
der Sonnenschein. Es grüßt
Euch recht herzlich
Euer Wolfgang


© Horst Decker