Brief von der Westfront an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben 12. April 1944

12. 4.44

Mein liebes, gutes Frauchen!
Eben saßen wir Offiziere der Abteilung
noch beisammen, machten Pläne für
den morgigen Tag, unter anderem ein
Nachmittagsritt mit Kaffe und Kuchen(!),
da platzte ein Marschbefehlt in die
Runde und der ganze Plan und
die ganze Gesellschaft flog auf.
Obwohl erst in der Nacht angekom-
men, haben wir doch sehr schnell
mit der Bevölkerung Fühlung bekom-
men.
Heute morgen schrieb ich Dir ja schon
einige Zeilen von der Stimmung der
Leute. Jetzt laß mich mal etwas von
dem heutigen Tageslauf palieren.
Mein erster Weg war der zur Post, um
zu erfahren, ob ich nun hier die fer-

tigen Pakete aufgeben könnte. Ich
hatte aber kein Glück, sondern mußte
mich auf spätere Zeiten vertrösten las-
sen. In dieser Gegend besteht halt
wegen der letzten Bombardierungen abso-
lute Paketsperre. Also muß ich auch
Dich ein bissel vertrösten.
Weiter versuchte ich, telefonisch nach
Frankfurt durchzukommen. Auch das
mißlang und ich sagte mir endlich
na, wenn wir jetzt im Reich sind,
werd ich mein Frauchen - wie vor-
gehabt - schon in nicht allzuferner
Zeit mal wieder ganz persönlich in
den Arm nehmen können und Ihr
dann viel besser sagen können, wie unendlich
lieb ich sie habe. Stimmts?
Du siehst, mein Optimismus oder neuer
Glaube ist doch immer wieder, wenn

auch oft in ganz unvorhergesehener
Weise, in irgendeiner Art gesegnet.
Komm, ganz schnell ein Busserl
zwischendurch.
So, und nun weiter! Da gab es heute
allerhand Patienten. Zuerst ein völlig
erschöpftes Pferd, daß nicht mehr weiter
leben wollte. Mit ein paar Spritzen habe
ich die Lebensgeister wieder zu wecken
versucht. Ob es von Erfolg ist, kann ich
jetzt noch nicht sagen. Davon wird
allenfalls später mal der Bauer, bei
dem wir es zurücklassen müssen, berichten
können.
Dann kam ein Chef-Reitpferd, das in
der Nacht im Stacheldraht hängen-
geblieben war. Es kam nur so spät,
daß ein Nähen aussichtslos war. Schade,
denn so dauert es einige Tage
länger und die Narbe wird eine

Portion größer.
Danach kamen weniger erfreuliche
Sachen. Sachen d.h. Katarrhpferde, denen
Kranksein aber hoffentlich bald vergeht.
Wegen der vielen angekauften Pferde
muß man aber vorsichtig sein, wenn
wir jetzt auf einen Truppenübungsplatz
zur Neuaufstellung kommen. Frauchen,
viel Königsbrüche, also innere Leiden.
Du, wenn ich da Dich doch bloß in der
Nähe hätte. Aber , aber ... ja, nun
sitzt Du in dem vermaledeiten Frank-
furt, - nein, bitte nicht, in einem
Mutterheim, wo ich beruhigt sein kann.
Frauchen, es wird auch uns alles gut
gehen. Ach, es ist ein verrückter Zustand,
Sorge, Glück, Verliebtsein, ein toller Wirbel!
Immer wollte ich Dich innig liebkosen,
Dich drücken und lieb küssen als
Dein Wolf

© Horst Decker