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Brief an Kurt Schellhammer von seinem Freund Peter Breuh, 7. Juli 1940

                      Wischau - Diedelz, 7.7.40

Liebster Kurt!

Nun muß ich wohl bald zu den wildesten Drohungen greifen,
um Deinen hartnäckig verschlossenen Lippen ein paar Worte zu
entreißen. Entweder Du hast einen Schatz gefunden und bist ganz
schrecklich verliebt oder Du hast einen großen Kummer, aber
denkst Du als nicht, daß auch andere gern an der Freude teil-
nehmen oder ein Trostwort brauchen können? Ich weiß ja, daß
ich ein unzuverläßlicher Bursche bin, heute so und morgen so,
aber gerade darum. Jetzt quäle ich mich wieder mit dem Reserve-
offzier, nachdem ich mich mit meinem Schicksal, nicht 'dabei'
gewesen zu sein, abgefunden habe. Je mehr nämlich das Ende
des Krieges rückt und damit auch Studium, umso größer wird
auch wieder die Sehnsucht, endlich, endlich den Kommis abzu=
schütteln. Ich fürchte mich riesig davor, während der Ferien im=
mer wieder eingespannt zu werden mit Übungen, die für mich
sinnlos sind, da ich doch nie mehr in den Krieg ziehe. Und dann
die Gesellschaft. Und später, nach dem Studium? Allmählich
beginne ich den Kommis wieder zu hassen. Und doch erlaubt mir
eine innere Stimme nicht, einfach hinzugehen und zu erklären,
ich will aus diesen und jenen beruflichen Gründen nicht R.O.
werden und damit basta. Ihr zu gehorchen fällt mir schwer,
aber es wird doch das Beste sein. Nun muß ich manches büßen,
was ich mir im Leichtsinn vor über 3 Jahren eingebrockt habe.
Du glaubst nicht, wie es mich schlaucht, daran zu denken, noch
viele schöne Wochen und Monate sinnlos Soldätles spielen zu
müssen. Nun, und das ist so das Nebenher neben den eigentlichen
Schwierigkeiten. Wenn da die Nerven nicht auf die ... gehen,
weiß ich nicht mehr, wann. Junge, wenn der Krieg um ist, dann

wollen wir die erste Gelegenheit beim Schopfe packen und mal
einige schöne Wochen miteinander verbringen. Diesjahr wirds
ja kaum noch langen, es dauert so lange, bis es in England los-
geht und ich bin froh, wenn ich wenigstens im Oktober oder
November mit dem Studium beginnen kann.
     Was machen Deine Brüder? Vermutlich sind beide in
Frankreich. Ein Kamerad meines aktiven Regiments schrieb mir
neulich aus dem Lazarett, sie haben schon ein paar Angriffe
mitgemacht. Unser Rgt.Kdeur hat das Ritterkreuz bekommen.
- Wann der Kurs hier zu Ende ist, weiß ich noch nicht. Doch hoffe
ich, Mitte August ein paar Tage in Urlaub nach Pforzheim
kommen zu können. Bald ist auch wieder der 11. Juli, der Tag,
an dem wir uns vor 3 Jahren in Cottbus trafen. Seltsam, daß ich
mir das so gut merke, aber es kommt daher, weil ich mich schon
Wochen vorher (im Arbeitsdienst!) darauf freute und damit
tröstete. Was liegt aber dazwischen!
      Hast Du sonst mal einen von der 'alten Garde' gesehen. An
Stpf. Schraers Silbernem Jubiläum müssen sich viele ehemalige Pforzh.
Kapläne getroffen haben, Morath u. Ostermann waren auch da.
Ebenso Wisi u. Katel. - Hast Du etwa durch die Rückwanderer ver=
sucht Arbeit zu bekommen? Ich muß als folgendes denken. Wenn man
das Leben satt hat, ist es leicht, tapfer zu sein. Aber auch in der
Verzweiflung um die Hoffnung zu bitten, das ist schwere Tapferkeit.
Ich selbst bin jetzt aus der Verzweiflung des vergangenen Winters he-
raus. Wer weiß, welchen Gebeten man solche Rettung verdankt?
Lieber Kurt, schreib mir wieder mal, von ganzem innigen Herzen
               grüßt Dich
                              Dein Peter.



© Horst Decker


     


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