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Brief an Kurt Schellhammer von seinem Vetter Karl, 15. Juni 1940

                      Heuberg, 15. Juni 1940

Lieber Vetter Kurt!

     Schon oft bin ich daran gewesen, Dir zu schreiben,
aber nie hat mir die Zeit dazu gereicht. Heute
Morgen habe ich nun keine Lust zum arbeiten,
der Chef ist weg, und da reicht es nun zu ein
paar Zeilen. Der eigentliche Anstoß zu diesem Brief
aber war ein kurzer Besuch in Möhringen. Ich
hatte eine Fahrt nach Donaueschingen, und auf
dem Rückweg bin ich kurz bei Schmidbergers
eingekehrt. Deine Tante hat sich anscheinend sehr
gefreut, und mir nur Vorwürfe gemacht, daß
ich mich noch nie hätte sehen lassen, wo ich nun
schon 3/4 Jahre auf dem Heuberg bin. Gleich hat sie
mir und meinem Zivilkraftfahrer ein Vesper
hingestellt, der Speck war ganz prima! Natürlich
wurde auch von den Pforzheimern gesprochen, was
Ihr alle macht, aber eine Auskunft habe ich ja
nicht geben können, weil ich selbst nichts weiß.
Und da möchte ich Dich gleich fragen: Was macht
Hans und Fritz? Ich weiß keine Feldp.Nr. mehr,
kannst du sie mir schicken? - Leider hatte
ich nicht viel Zeit, sondern mußte gleich weiter.
Vielleicht reicht es ein ander Mal.
     Und nun lieber Vetter, wie geht es Dir? Wir
beide, Du und ich, tragen das gleiche Los, im größten
Krieg der Weltgeschichte in der Heimat sitzen zu

müssen. Nur der Unterschied, daß du Zivilist
bist und trotzdem an der Front bist, und ich Soldat
und weit vom Schuß! Nicht einmal den Einzug
in Paris durften wir mitmachen !! Und ich habe
bestimmt gemeint, daß ich dabei sein kann, wenn
sie dort einmarschieren. Wir sind halt auf vergesse-
nem Posten, die machen den Krieg halt ohne uns.
     Mein Bruder Fritz hat mir einen langen Brief
geschrieben, er hat schon viel erlebt, es geht ihm
aber gut, er ist noch gesund und wird es auch hoffent-
lich bleiben.
     Von mr selbst gibt es nichts zu berichten. Bei uns
geht es immer im alten Trupp weiter. An Urlaub
ist vorläufig nicht zu denken, deshalb hat mir Sofie
versprochen, mich in ihrem Urlaub zu besuchen. Das
wird Ende Juli sein, wenn ich bis dorthin noch auf
dem Heuberg bin. Wir haben Aussichten, versetzt zu
werden, aber das kann noch lange gehen, und wo
wir dann hinkommen, ist auch noch unbestimmt
Parole: Abwarten!
     Und nun hoffe ich, daß Du auch mal etwas
von dir hören läßt und mir mal die Lage
inm schönen H....erland schilderst. Weiter hoffe
ich, daß du immer noch gesund bist, und grüße
Dich herzlich mit einem
                              Heil Hitler!
                              dein Vetter Karl.



© Horst Decker


     


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