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Brief an Kurt Schellhammer von seinem Freund Uffz. Peter Breuh vom 3. Inf. Ers. Btl. 13, auf Offizierslehrgang in Wischau-Dieditz Chechoslowakei (tschech. Name Vyskow-Dedice)

                      Wischau-Dieditz 2.6.40

Lieber Kurt!

Jetzt will ich Dir doch kurz mitteilen, wo ich mich seit
8 Tagen bereits herumtreibe. Ich bin also nun doch auf
einem OA Kurs gekommen, der dem von Döberitz wenig-
stens beförderungsmäßig usw. entspricht und wie
sie ja in der Form der 'Waffenschule' noch an ande-
ren Plätzen imReich ständig abgehalten werden.
Etwa vom 30. April bis 18. Mai war ich in Pisek
auf einem von der Division veranstaltetem Vorkurs.
Hab ich Dir nicht von dort aus geschrieben? Die Hälfte
der dortigen Kursteilnehmer kam nach Döberitz, die
andere sollte nach Prag kommen. Ich war bei letzteren.
Anschließend fuhr ich geschwind 8 Tage in Urlaub
nach Hause. Du kannst Dir denken, wie sehr ich diese
paar Tage genossen habe! Nur schade, daß die Erd-
beeren noch nicht reif waren. Vom Urlaub zurück,
erfuhr ich gleich, daß wir auf 'irgendeinen Truppen-
übungsplatz' befohlen seien. Das war eine arge
Enttäuschung, nachdem ich mich so sehr auf das
'nordische Rom' gefreut hatte. Diese Stadt soll ja
eine Sammlung herrlicher Baulichkeiten aufweisen

und überhaupt eine der schönsten Europas sein. Wie
hätte man sich da in die Geschichte Böhmens vertiefen
können! So werd ich halt vermutlich nach 3/4 Jahren
das Protektorat verlassen, ohne Prag gesehen zu haben.
       Jetzt sind wir mitten in Mähren, etwa 60km von
Brünn entfernt, wohin ich morgen in Sonntagsurlaub
fahren will. Fritz war ja auch hier in der Gegend.
Habt Ihr Nachricht, wo er zur Zeit steckt? Hat er nicht
Glück gehabt, ein paar Wochen Ausbildung und
schon im Feld? Wenn er zurückkommt, können wir
beide zu ihm aufschauen.
       Nun einiges vom Kurs. Untergebracht sind wir
zu zweit oder dritt pro Stube in einem der vielen
weiß getünchten Steinbaracken (2-stöckig) dieses erst im
Entstehen begriffenen riesigen Lagers. Ringsherum
schießen diese Baracken förmlich aus der Erde, Stra-
ßen und Exerzierplätze werden gebaut, Grünflä-
chen angelegt, Erdbewegungen durchgeführt und so
fort. Man sieht nur Arbeiter und Soldaten, derer
allerdings nicht arg viel. Wasch- und Toilettenein-
richtungen wie in unseren neuen Kasernen; weiß-
gestichene Eisenbetten mit Matrazen, ein polierter

Tisch, Stühle mit Lehnen und für jeden Mann
ein großer Schrank sind die Einrichtungen jeder
Stube, also nach unseren Begriffen fabelhaft bequeme
Stuben, Flurdienst sowie Stiefelputzen besorgen Ordon-
nanzen. Der am schwarzen Brett angeschlagene Dienst
ist kurz, aber, das kannst Du Dir denken, hier ist
man sozusagen den ganzen Tag im Dienst und abends
immer rechtschaffen müde. Die Gegend ist sehr schön
hier, das Wetter die ganze Woche hindurch herrlich.
wenn kein Krieg wäre und wir unter den gegenwärti-
gen Umständen hier einen Teil unserer Dienstpflicht
leisten würden, ließe sich nichts Schöneres denken.
Ein andermal erzähle ich Dir hiervon weiter.
       Immer wieder mache ich mir Gedanken
darüber, ob es richtig war, jetzt doch den R-Offizier
anzustreben und ob ich nicht noch jetzt, solange
noch Zeit ist, davon Abstand nehmen soll. Zum O.A
bin ich ja noch nicht ernannt. Weißt Du, jetzt im
Krieg möchte ich schon Leutnant sein, denn gerade
hier habe ich gesehen, daß ich in den 2 1/2 Jahren doch
etwas gelernt habe. Aber nach dem Krieg, was soll
da werden? Soll ich mich jetzt von neuem binden.
wo ich nun schon seit Jahren darauf warte, endlich

alle derartigen weltlichen Bindungen ablegen und mich
nur auf Gott ganz allein stützen zu dürfen? Oder ist das
nur eine Äußerlichkeit, denen wir ja so oder so unterwor-
fen bleiben? Ich will mir die Sache gut überlegen, glau-
be aber, daß ich doch nicht OA werden will, obgleich mir
die Arbeit hier Freude macht, die Führung später eines
Zuges Freude machen würde und die Beförderungsaus-
sichten nicht schlecht für mich sind. Aber ich will
mich endlich mal für meinen Beruf ganz frei machen.
Schreib mir bitten doch recht bald Deine Meinung. Könnte
ich Dir doch nur meinen Platz hier freimachen, es wäre Dir
sicher recht! Noch was Nettes: Wen meinst Du, daß ich
hier unter den Kameraden von den schweren Waffen (MG)
traf? Unseren alten Heribert Künzig, weiland mein
Lateinlehrer in Obertertia! Wir hatten uns natürlich viel
zu erzählen. Er ist in Lörrach am Gymnasium, hat Frau
und 2 Kinder, scheint in seinem zivilen Leben glück-
lich und erwartet sehnsüchtig das Kriegsende. Tempora
mutantur!
       Kurt, mein lieber Junge, warum läßt Du gar nichts
mehr von Dir hören? Schreib mir bitte bald! Von ganzem
Herzen und innigst grüßt Dich
                            Dein Freund Peter



© Horst Decker


     


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